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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen
Autoren: Frederique Deghelt
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treffen. Ich habe Zeit, ich bin abkömmlich, aufmerksam und geduldig.«
    Ich lache und kann mich nicht mehr darauf konzentrieren,ihm das zu entlocken, was mich so brennend interessiert.
    »Sie müssen wissen, dass ich keine reiche Erbin bin. Ich bin arbeitslos.«
    »Das macht nichts, ich bin Beamter: Schlaf-Vorführer auf Lebenszeit in einem Kaufhaus. Ich lege mich hin und schlafe so überzeugend und so wohlig ein, dass alle die Matratzen kaufen.«
    »Sie sind ein lausiger Lügner.«
    Nach zehn Minuten zieht mich Pablo in seine Arme und gesteht, dass ihn dieses Spiel total langweilt, obwohl er mich sehr talentiert und sehr verführerisch fand.
    »Du kannst dich gut in andere hineindenken. Diese Seite kannte ich noch gar nicht an dir. Du hast schauspielerisches Talent.«
    Ich protestiere.
    »Doch, wirklich. Ich habe dich beobachtet, du hast dich in deiner Rolle sehr wohl gefühlt, während ich mir ganz schön albern vorkam. Deshalb hatte ich keine Lust mehr. Du hast gewonnen.«
    Ich will keinen Gewinner und flüchte mich mit den Tellern in die Küche, um das Obst zu holen. Als ich wieder auf die Terrasse trete, erwartet mich eine neue Herausforderung.
    »Du denkst doch daran, dass meine Mutter Zoé morgen Vormittag bringt?« Ich stelle mir eine kleine Hündin mit langem Fell vor, an der ich offenbar sehr hänge. »Hat sie dir auch so gefehlt? Es war ja das erste Mal, dass wir sie vier Tage nicht gesehen haben. Weißt du, ich habe sie heute angerufen, sie hat mit mir telefoniert, es war zu süß. Sie sagte nur immer: ›Papa, Papa‹.« Ich ersticke an meinem Apfel. Natürlich, die Windeln im Kinderzimmer! Zoé ist ein Mädchen … Noch ein Kind … Meins … Unseres … Ich habe drei Kinder … Dumpfe Panik überrollt mich.
    »Geht’s dir nicht gut? Du siehst so blass aus. Marie, istdir schlecht? Sag doch was!« Ich muss sofort ins Bett, einschlafen und im Jahr 1988 wieder aufwachen, lange vor dieser Geschichte, und vor allem darf ich diesem Typen niemals begegnen! Wie soll ich das schaffen, drei Kinder und keine Gebrauchsanweisung? Ich kann nicht so weitermachen. Ich muss mit ihm reden, ich muss Pablo sagen, dass ich noch viel besser schauspielere, als er denkt. Er bringt mich ins Schlafzimmer, damit ich mich hinlege. Er ist besorgt. Ich antworte nicht auf seine Fragen. Ich muss ihn beruhigen. Nein, ich kann nichts sagen. Jedenfalls noch nicht. Eigentlich habe ich mich bis jetzt ganz gut geschlagen: Ich habe den Code herausgefunden, Bargeld und ein paar brauchbare Klamotten aufgetrieben, einige bekannte Namen in meinem Adressbuch gefunden, meiner Mutter geht es bestens, die Kinder sind unbeschreiblich. Ich klammere mich ebenso an die kleinen materiellen Dinge wie an die großen Ereignisse des Lebens, in dem ich gelandet bin. Ich befinde mich in einem ähnlichen Zustand wie jemand, der einen Trauerfall bewältigen muss, nur ist es nicht der Verlust, sondern das sukzessive Erscheinen immer neuer Personen, das mich in den totalen Stumpfsinn stürzt.
    Merkwürdig … In den Fotoalben tauchen nur zwei Schwangerschaften auf. Die letzte habe ich nicht gefunden, oder das Baby ist noch so klein, dass es dazu bisher kein Album gibt. Aber nein. Es spricht schon, es kann »Papa« sagen. Als Pablo ins Bad geht, nutze ich die Gelegenheit und bin mit zwei großen Schritten an dem Regal, in dem die Fotos liegen. Ein Schuhkarton in der Ecke erregt meine Aufmerksamkeit. Darunter liegt ein weiteres Album, das tatsächlich mit den Bildern einer Schwangerschaft und des dritten Babys beginnt.
    »Zoé hat dir richtig gefehlt, was?« Pablo beobachtet mich amüsiert.
    Ich fühle mich ertappt. Ich kann mir noch so oft sagen, dass dies meine Wohnung, meine Regale und meine Fotossind und dass dieses andere Wesen in mir und mit meiner Hülle lebt, also nicht ertappt werden kann, trotzdem werde ich meine Schuldgefühle nicht los. Pablo nimmt mich in den Arm.
    »Könnte die Mutter meiner Kinder ihren Mutterinstinkt einmal kurz vergessen und sich mit Leib und Seele nur mir widmen?« Er lässt mich nicht antworten, nimmt meine Hand und führt mich ins Schlafzimmer. »Geht es dir besser?« Ich schweige. Er warnt mich, dass dies eine absolut eigennützige Frage sei. Obwohl ich mir immer noch wünsche, die andere Welt zurückzuerobern – denn ich hoffe nach wie vor, dass dieser Tag nur ein Traum ist –, lassen mich Pablos unwiderstehliche Liebkosungen erschaudern. Wer weiß? Vielleicht finde ich mich bald weitere zwölf Jahre später wieder,
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