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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd
Autoren: Lena Falkenhagen
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wie er sich wohl fühlen musste, gejagt, ohne Freunde, heimatlos. Sollte sie Mitleid mit ihm haben? Doch hier ging es um ihre eigene Haut! »Gesehen wohl, Herr. Aber im Bunde bin ich nicht mit ihm!«
    Der Mann kniff die Augen zusammen und musterte sie. Hatte er ihr Zögern bemerkt? »Was machst du hier draußen?« Bei dem Tonfall bewegte sich das Pferd unruhig, und der Sattel knirschte leise. Das Tier roch nach Schweiß und Lederfett.
    »Ich bin Magd in Pillenreuth, Herr!«
    Luzinde musterte den Reiter nun unter gesenkten Lidern hervor. Das dunkle Haar fiel ihm gewellt bis auf die Schultern. Er trug eine knielange moosgrüne Schecke, deren Zaddeln mit dünnem, beinahe weißem Pelz verbrämt waren, dazu einen breiten edelsteinverzierten Hüftgürtel sowie Beinlinge und Schuhwerk aus Leder. Er hatte ein feines, schmales Gesicht mit
dunklen Brauen und glatt geschabte Wangen. An seiner Seite hing ein Schwert mit goldenem Knauf. Der Mann war ganz offenkundig von Stand oder großem Vermögen.
    »Bist du allein?« Er sah sich um, als rechne er mit weiteren Überraschungen.
    Luzinde zögerte. Entweder bekannte sie sich als schutzlos oder gab Anna und Thomas auch einer eventuellen Gefahr preis. Der Mann schien ihr kein Übel zu wollen, doch in Zeiten wie diesen, in denen Geißlerzüge unterwegs waren und Könige um den einen Thron kämpften, sträubte sie sich, einem Fremden zu vertrauen. Doch Anna würde ihr auch nicht beistehen können. »Ja, Herr.«
    »Und was macht ein Weib wie du allein so weit ab vom Kloster?« Seine Blicke suchten noch immer die Umgebung ab.
    »Ich – es sind doch nur zwei, drei Meilen, Herr.«
    Er musterte sie wieder. Sie hoffte, er würde Anna und Thomas nicht entdecken, hoffte, die beiden hielten ihre Furcht im Zaum und regten sich nicht … Schließlich nickte der Fremde. »Wo ist der Flüchtling hin?«
    »Ich … ich weiß nicht, Herr.« Sein Gesicht wurde dunkel vor Zorn, und sein Blick fuhr ihr durch Mark und Bein. »Er hat mich geschlagen, unten am See! Ich bin insWasser gefallen und hab nichts gesehen.« Sie deutete auf ihre Wange und setzte schnell hinzu: »Unter Wasser würdet Ihr auch nichts sehen, Herr!« Sie biss sich auf die Zunge. Der Mann wirkte nicht wie jemand, der duldete, dass Gesinde so mit ihm sprach. Als sein Blick an ihr herabglitt, wurde Luzinde bewusst, dass ihr Gewand und Kopfschleier eng am Leibe klebten. Vermutlich konnte er jede Wölbung ihres Körpers sehen.
    Zu ihrer Überraschung antwortete der junge Mann nicht mit der Rute. Er schenkte ihr ein Lächeln, das seinen Zügen eine Weichheit verlieh, die in scharfem Kontrast zu der Wut
von eben stand. »Da magst du Recht haben, Mädchen. Aber du hast eine spitze Zunge.«
    »Das ist wohl so, Herr«, bekannte Luzinde erleichtert. »Wer ist der Kerl, den Ihr sucht, Herr?«
    »Er ist einer der ersten Waffenschmiede der Stadt, Rudel Geisbart. Er hat den Aufstandsrat angeführt. Doch nun kommt König Karl persönlich nach Nürnberg, und da ist er geflohen, um seiner gerechten Strafe zu entgehen.«
    »Und wer seid Ihr, Herr?« Luzinde hielt den Atem an. Sie hatte den Satz schon ausgesprochen, als ihr bewusst wurde, dass eine so dreiste Frage einen hochgestellten Mann wie diesen verärgern könnte.
    Doch der junge Mann lächelte noch breiter. »Ich war zu lange in Genua, wie? Ulman Stromer der Name,Weib. Nenn mir deinen, damit ich bei den Beginen nachfragen kann, ob du wahr gesprochen hast.«
    »Ich arbeite in der Küche«, sagte sie. »Mein Name ist Lu-«, neuerliches Hufgedonner unterbrach sie.
    »Ulman?«, drang eine tiefe Männerstimme herüber, doch sie konnte durch die Büsche nicht erkennen, wer sprach. Nur ein blondes Haupt ließ sich kurz zwischen dem Grün ausmachen. »Hast du ihn?«
    Erschreckt zog Luzinde den Kopf ein und schlang sich das andere Ende des Kopftuches um den Hals, so dass es Kinn und Mund verbarg. Würde dieser Mann ihr auch Glauben schenken, wie Herr Ulman hier? Oder würde er sie für eine Komplizin des Geißbartes halten und kurzen Prozess mit ihr machen? Herr Ulman sah zu ihr herab und zögerte kurz. Dann zwinkerte er Luzinde verschwörerisch zu.
    »Nein, Oheim Ulrich, hier ist niemand«, rief der Patrizier zurück. »Er ist wohl doch in den Wald geflohen!«
    »Dann trödel nicht länger herum, Junge! Wir haben dem
König einen Kopf zu liefern!«, befahl der Mann über die Büsche. »Sonst fordert er noch die unsrigen!«
    »Ich komme!« Er wandte sich zu Luzinde um. »Gott befohlen, Mädchen«, sprach
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