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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd
Autoren: Lena Falkenhagen
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fragte Luzinde heiser, die Stimme noch schwach. Doch Anna antwortete nicht, sie hielt ihren Jungen fest im Arm und weinte. Eine bleierne Furcht nistete sich in Luzindes Magen ein, die sie allzu gut kannte. Wenn diese Mutter ihren Sohn verlor, Luzinde wüsste nicht, ob sie an sich halten könnte … Hastig kroch sie auf allen vieren näher. »Anna! Geht es dem Buben gut? Anna!«
    Endlich reagierte die rundliche Magd auf die Panik in ihrer Stimme. Sie sah mit tränennassen Augen auf. »Ja«, flüsterte sie. »Nur eine Beule.«
    Die Erleichterung ließ Luzinde erzittern, und sie rollte sich am Ufer auf den Rücken und legte die Hände auf das Gesicht, um die Tränen der Erleichterung aufzuhalten. Das lange sommerliche Gewand klebte ihr am Leibe, und dieWange schmerzte. Was war das für ein Mann gewesen? Und warum war er auf der Flucht? Ein Räuber? Oder ein Gebannter aus Nürnberg? Doch erst einmal war Luzinde froh, dass er fort war.
    Dann bebte die Erde unter dem Gewicht galoppierender Pferde. Luzinde fuhr hoch und sah sich um. Hatte der Mann Komplizen? Folgte der Rest der Bande nach und würde sich nun über die schutzlosen Frauen hermachen? Egal wer es war, hier waren sie nicht sicher!
    Sie sprang, nass wie sie war, auf die Füße und lief zu Anna und Thomas hinüber. »Anna, komm schnell. Wir müssen uns verstecken!«
    »Aber der Fisch...« Tatsächlich zappelte einer der Karpfen aus dem offenen Korb heraus und platschte ins Wasser.
    »Lass den Fisch! Wir müssen hier weg!« Luzinde zerrte die Magd auf die Beine. Die barg Thomas noch immer in den Armen. Sie schob Mutter und Kind hügelanwärts in Richtung des dichteren Gebüschs. Die Zweige peitschten ihr ins Gesicht, als
sie in die Richtung rannten, in der sie den Wald und den Beginenhof Pillenreuth wähnte.
    Ein Schatten huschte zu ihrer Rechten vorbei. Luzinde duckte sich ohne nachzudenken nach links weg den Hügel wieder hinunter, Anna immer an der Hand. Schon bald rang sie keuchend um Atem, und die Kehle brannte. Doch sie hielt im Laufen nicht inne. Nur noch ein Stück weit, dann hätten sie es in den Schutz der Bäume geschafft!Vor Luzinde donnerte der Boden, und wieder wich sie nach links aus und zog die Mutter mit ihrem Sohn hinter sich her. Als sie aus den Büschen auf eine mit hohem Gras bestandene Wiese brach, erkannte sie ihren Fehler: Der Reiter hatte sie abgedrängt, um sie in offenes Gelände zu treiben. Luzinde schlug wild das Herz im Leibe. Sie fühlte sich wie das Wild, wenn die Treiber es in die Enge gedrängt hatten.
    »Heilige Mutter Gottes«, stieß sie aus. »Zurück. Zurück! Zurück!« Sie erspähte eine kleine Mulde unter einem Gebüsch und zögerte nicht. Sie schubste Mutter und Sohn vor. »Haltet still!«, zischte sie. Erst als die beiden hineingekrochen waren, sah sie, dass die Vertiefung zu klein war, um auch sie zu verbergen. Und wenn man allzu genau hinsah, konnte man sogar das braune Überkleid der Magd erspähen … Also sprang Luzinde zurück, weg von der Freundin und ihrem Sohn.
    Der Himmel verdunkelte sich, und es schien, als habe Gott für einen kleinen Augenblick die Zeit angehalten. Über ihr schwebte ein fast weißes Pferd im Sprung über die Büsche in der Luft, die Vorderbeine angewinkelt, die Hinterhand ausgestreckt. Die Ohren waren in scharfer Aufmerksamkeit nach vorne gerichtet, der schwarze Schweif schlug in einer Ausgleichbewegung, und die Nüstern und Augen waren geweitet. Luzinde warf sich aus der Reichweite der Hufe und rollte über den Boden. Als das Pferd mit einem donnernden Beben neben
ihr auf der Erde aufkam, lag sie auf der Wiese und barg den Kopf unter den Armen.
    Das Tier wurde herumgeworfen und gezügelt, und für einige Augenblicke hörte man nichts als das Schnaufen aus großen Nüstern. Schließlich wagte Luzinde aufzusehen. Auf dem gro ßen fahlgrauen Schimmel saß ein junger Edelmann mit gerötetem Gesicht und leuchtenden Augen, der in der Hand eine Rute trug.
    »Du bist nicht der Geißbart«, stieß er aus und sah sich um. »Wer bist du, Weib? Steckst du mit ihm unter einer Decke?«
    Luzinde schüttelte schnell den Kopf und zog sich das Tuch über das Haar. Ihre Gedanken überschlugen sich.Wer auch immer der Reiter war, er durfte nicht erfahren, dass sich Anna und Thomas in der Nähe befanden. »Mit wem?«
    »Dem Geißbart. Hermann der Haubenschmidt. Ein älterer Kerl mit spitzem Bart. Du musst ihn doch gesehen haben!«
    Einen kurzen Augenblick zögerte Luzinde, den Mann zu verraten. Sie konnte ahnen,
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