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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03
Autoren: Stephen R. Donaldson
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die Person ausfindig zu machen, die Sie zu sprechen wünschen. Unser Ministerium ist groß – Sie verstehen. Können Sie mehr nähere Angaben machen?«
    »Der Name ist Hile Troy. Er ist in einer Ihrer Denkzellen tätig. Er ist blind.« Die Wörter zitterten zwischen seinen Lippen, als habe er Schüttelfrost.
    »Blind, sagen Sie? Mister Covenant, Sie haben einen Unfall erwähnt. Können Sie mir sagen, was mit diesem Hile Troy passiert ist?«
    »Lassen Sie mich mit ihm reden. Ist er dort oder nicht?«
    Der Major zögerte. »Mister Covenant«, meinte er dann, »wir haben in unserem Ministerium keine Blinden. Könnten Sie mir wohl die Quelle Ihrer Information nennen? Möglicherweise sind Sie das Opfer eines ...«
    Unvermittelt brüllte Covenant in äußerster Wut los. »Er ist aus dem Fenster gestürzt, als sein Apartment in Brand geriet, und ums Leben gekommen! Es hat ihn überhaupt nie gegeben!« Mit einem wüsten Ruck riß er das Telefonkabel aus der Wandbuchse, wirbelte herum und schleuderte den Apparat nach der Uhr an der Wand des Wohnzimmers. Das Telefon traf die Uhr und fiel danach zu Boden, als sei es unempfindlich gegenüber Gewalttätigkeiten, aber die Uhr sprang und zerbrach in Stücke. »Er ist seit Tagen tot! Es hat ihn niemals gegeben!« In seinem Wutanfall schlug er um sich und trat mit einem gefühllosen, gestiefelten Fuß den Kaffeetisch. Der Tisch kippte um, der Rahmen von Joans Bild brach auseinander, als es über den Teppich schlitterte. Er trat nochmals zu, zerschmetterte ein Tischbein. Dann warf er das Sofa um und stürzte sich an ihm vorüber auf die Bücherregale. Eins ums andere schleuderte er sie auf den Fußboden.
    Innerhalb von Augenblicken hatte sich die peinlich genaue Leprakranken-Ordnung des Zimmers in ein gefährliches Chaos verwandelt. Ohne Zaudern stürmte er ins Schlafzimmer. Mit fahrigen Fingern klaubte er das Taschenmesser aus seiner Hose, klappte es auf und zerfetzte damit das blutbesudelte Kissen. Dann schob er das Messer zurück in seine Tasche, während die Federn sich wie ein Schnee der Schuld auf Bett und Kommoden senkten, und verließ das Haus mit einem Türknallen.
    Im Laufschritt strebte er zur Hütte bei den Bäumen hinter der Haven Farm, hastete zu der ruhigen Bude, die sein Büro umfaßte. Wenn er von seinem Elend nicht sprechen durfte, konnte er vielleicht darüber schreiben. Während er den Weg entlanglief, zuckten ihm bereits die Finger danach, Hilfe-Hilfe-Hilfe-Hilfe! zu tippen. Doch als er den Schuppen erreichte, stellte er fest, daß es aussah, als sei er bereits dort gewesen. Die Tür war aus den Angeln gerissen, und drinnen lagen die verbeulten Bestandteile seiner Schreibmaschine inmitten der Fetzen seiner Akten und sonstigen Papiere. Die Stätte der Verwüstung war mit Exkrementen beschmiert, und die kleinen Räumlichkeiten stanken widerlich nach Urin.
    Zuerst starrte er die Verheerungen an, als habe er sich bei einem in Amnesie vollbrachten Akt ertappt. Er konnte sich nicht daran erinnern, das getan zu haben. Und er wußte, er hatte es nicht getan; das war Wandalismus, ein Anschlag auf ihn, genau wie das Abbrennen der Ställe vor Tagen oder Wochen. Die unerwartete Zerstörung machte ihn fassungslos. Für einen unbestimmten Moment vergaß er, was er eben selbst im Haus angerichtet hatte. Ich bin kein gewalttätiger Mensch , dachte er dumpf. Überhaupt nicht.
    Da schien der beengte Raum innerhalb der Hütte ihn von allen Wänden herab anzuspringen. Ein Gefühl des Erstickens befiel ihn, der Beklemmung. Zum drittenmal versuchte er, sich zu übergeben, und konnte es wieder nicht. Er keuchte zwischen zusammengebissenen Zähnen und floh in den Wald. Zunächst irrte er ziellos dahin, trieb das erschöpfte Gerüst seiner Knochen vorwärts in die Tiefe der Wälder, so schnell es ging, ohne eine Absicht zu verfolgen außer Flucht. Doch als der Sonnenuntergang sich auf die Hügel legte, die Pfade mit Dämmerung trübte, lenkte er seine Schritte zum Ort. Der Gedanke an Menschen leitete ihn wie eine Verlockung. Während er durch das Dämmerlicht des Frühlingsabends stolperte, stachen in seinem Herz alte, irrationale Aufwallungen von Hoffnung. In unregelmäßigen Abständen verspürte er die Überzeugung, schon der bloße Anblick eines offenen, von Vorwürfen freien Gesichts könne ihm neue Ruhe einflößen, die Ungeheuerlichkeit seiner Bürde wieder in seine Reichweite der Handhabbarkeit rücken. Aber zugleich fürchtete er den Anblick eines solchen Gesichts. Das implizite
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