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Die letzte Walstatt - Covenant 03

Die letzte Walstatt - Covenant 03

Titel: Die letzte Walstatt - Covenant 03
Autoren: Stephen R. Donaldson
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heil!«
     
    Sie reckten ihre Stäbe, Schwerter und Hände in die Höhe, scheinbar ihm entgegen, und Tränen verwuschen sein Blickfeld. Die Tränen schwemmten Glimmermere aus dem Brennpunkt seiner Augen, bis er bloß noch ein Flecken Helligkeit vor seinem Gesicht war. Er mochte den See nicht verlassen. Er versuchte, seine Sicht zu klären, in der Hoffnung, der See möge nicht fort sein. Aber dann kamen ihm die Tränen zu Bewußtsein. Statt seine Wangen zu benetzen, rannen sie aus den Augenwinkeln hinab zu seinen Ohren und auf den Hals. Er lag bequem auf dem Rücken. Als sein Blick sich wieder akkommodierte, adjustierte wie durchs Gewinde eines Objektivs, stellte er fest, daß der Helligkeitsfleck vor ihm nichts anderes war als das Gesicht eines Mannes. Der Mann betrachtete ihn für einen ausgedehnten Moment, dann wich er zurück in einen oberflächlichen Schleier aus Licht. Nach und nach erkannte Covenant, daß glänzende horizontale Stangen an beiden Seiten sein Bett eingrenzten. Sein linkes Handgelenk war an einer davon festgebunden, damit er die Nadel in seiner Vene nicht abschütteln konnte. Die Nadel war durch einen Klarsichtschlauch mit einer IV-Flasche verbunden. Die Luft wies einen Anklang von Geruch nach Infektionsmitteln auf.
    »Ich würd's nicht glauben, könnte ich's nicht mit eigenen Augen sehen«, sagte der Mann. »Das arme Schwein wird tatsächlich durchkommen.«
    »Deshalb habe ich Sie geholt, Doktor«, sagte eine Frau. »Können wir nicht irgend etwas unternehmen?«
    »Unternehmen?« schnauzte der Arzt.
    »Ich mein's ja nicht so«, wehrte die Frau ab. »Aber er ist ein Aussätziger! Seit Monaten geht er den Leuten im Ort auf die Nerven. Niemand weiß, was man mit ihm machen soll. Einige andere Schwestern verlangen ... sie wollen für seine Pflege Überstundenbezahlung. Und schauen Sie ihn sich doch an. In was für einem Zustand er ist! Ich meine einfach, es wäre für alle viel besser, wenn so jemand ... wenn er ...«
    »Das reicht.« Der Mann war merklich verärgert. »Schwester, sollte ich noch einmal derartige Redensarten von Ihnen hören, fliegen Sie. Dieser Mann ist krank. Wenn Sie keine Lust haben, Kranken zu helfen, wär's besser, Sie schauten sich nach einer ganz anderen Art von Betätigung um.«
    »Ich hab's nicht so gemeint«, schmollte die Krankenschwester, als sie das Zimmer verließ.
    Nachdem sie gegangen war, verlor Covenant den Arzt für einige Zeit aus dem Blickfeld; er schien im intensiven Schleier der Helligkeit aufzugehen. Covenant versuchte, sich ein Bild von seiner Situation zu machen. Auch sein rechtes Handgelenk war festgebunden, so daß er im Bett lag wie gekreuzigt. Aber dieser Umstand hinderte ihn nicht daran, die wesentlichsten Tatsachen seiner selbst zu ermitteln. Seine Füße waren taub und kalt. Im gleichen Zustand waren seine Finger – gefühllos, eisig. Seine Stirn schmerzte fiebrig. Seine Lippe war von ihrer Schwellung straff und heiß.
    Er mußte der Schwester beipflichten; er befand sich in mieser Verfassung.
    Dann sah er den Arzt wieder in seiner Nähe. Er war jung und zornig. Ein anderer Mann betrat das Zimmer, ein älterer Arzt, in dem Covenant jenen erkannte, der ihn während seines vorigen Aufenthalts im Krankenhaus behandelt hatte. Im Gegensatz zum Jüngeren trug dieser Arzt keine weiße Klinikjacke, sondern einen Anzug. »Ich hoffe«, sagte er beim Hereinkommen, »Sie haben mich mit gutem Grund gerufen. Ich verzichte ungern für irgend jemand auf meinen Kirchgang – vor allem zu Ostern.«
    »Das hier ist eine Klinik«, murrte der Jüngere, »keine blödsinnige Heilsveranstaltung. Selbstverständlich habe ich einen guten Grund.«
    »Was ist los mit Ihnen? Ist er tot?«
    »Nein. Ganz im Gegenteil – er wird überleben. Eben war er noch in allergischem Schockzustand und drauf und dran, zu sterben, weil sein Körper zu schwach, infiziert und vergiftet war, um Widerstand leisten zu können – und jetzt ... Puls kräftig, Atmung ruhig, Pupillenreaktionen normal, Hauttönung besser. Ich will Ihnen sagen, was das ist. Das ist ein gottverdammtes Wunder, nichts anderes.«
    »Kommen Sie, kommen Sie, hören Sie auf!« sagte der Ältere gereizt. »Ich glaube nicht an Wunder ... und Sie glauben auch nicht an so was.« Er warf einen Blick auf das Krankenblatt, dann horchte er Covenants Herz und Lungen persönlich ab. »Vielleicht ist er bloß zäh.« Er beugte sich dicht über Covenants Gesicht. »Mister Covenant«, sagte er, »ich weiß nicht, ob Sie mich hören
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