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Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)
Autoren: Kimberly McCreight
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ich hab’s versucht. Ich habe versucht, ihre Hand zu fassen zu kriegen. Ich habe versucht, mich festzuhalten.

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    24. OKTOBER
    Amelia Baron
    » Ich bin festgewurzelt und fließe doch. «
    Virginia Woolf, Die Wellen

Epilog
    7. MÄRZ
    » Es wird wärmer « , sagte Kate, als sie sich auf den kalten, sorgfältig gepflegten Rasen setzte. Es war ungewöhnlich mild für Anfang März, aber immer noch Mantelwetter. Kaum hatte Kate die Worte ausgesprochen, kam kalter Wind auf. » Okay, vielleicht nur ein ganz kleines bisschen, doch wenn du hier wärst, würdest du wahrscheinlich sagen, es wäre schon fast Sommer. Du wolltest immer schon unbedingt kurze Ärmel tragen, sobald der letzte Schnee geschmolzen war. ›Ich friere bestimmt nicht, Mommy‹, hast du dann immer gesagt. « Kate musste lächeln, als sie an die kleine, pausbäckige Amelia dachte, die ihr das Blaue vom Himmel herunter versprach. So eifrig und so sicher. » Das Lustigste war, dass ich immer deine Jacke eingepackt hab, weil ich davon überzeugt war, dass du doch frieren und es dir anders überlegen würdest. Aber das ist nie passiert. Kein einziges Mal. Du konntest wirklich stur sein. «
    Kate kamen die Tränen. Manchmal nahm sie sich fest vor, nicht zu weinen, wenn sie Amelia auf dem Friedhof besuchte. Manchmal fand sie sich einfach damit ab, dass sie weinen würde. Sie konnte es ohnehin nicht anders.
    Dennoch war ihre Trauer ganz langsam vergangen und einer tiefen Sehnsucht nach Amelia gewichen. Sie akzeptierte sogar inzwischen, dass es ihr unmöglich war, all die winzigen Erinnerungen an ihre Tochter zu bewahren, sosehr sie sich auch daran klammern mochte. Sie konnte nur darum trauern.
    Schon jetzt, wenige Monate nach Amelias Tod, hatte Kate einiges vergessen. Sie konnte sich nicht mehr an Amelias Geruch erinnern, obwohl sie immer wieder in ihren Kissen danach suchte. Sie konnte sich auch nicht mehr an die Geste erinnern, mit der Amelia, wenn sie wütend wurde, ein Gespräch beendet hatte. Hatte sie zweimal mit den Fingern geschnippt und dann mit dem Daumen nach unten gezeigt oder dreimal mit den Fingern geschnippt und den Zeigefinger erhoben? Sie wusste auch nicht mehr, in welchem Alter Amelia das Fahrradfahren gelernt hatte, welcher Zahn ihr als erster ausgefallen war oder wie viel Geld die Zahnfee ihr unters Kopfkissen gelegt hatte.
    Aber die Erinnerungen, die ihr geblieben waren, waren glasklar.
    Sie spürte immer noch das Gewicht von Amelias Kopf als Säugling, wie er in ihrem Nacken gelegen hatte, wenn sie im Schaukelstuhl sitzend geschlafen hatte. Sie erinnerte sich, wie sie, als Amelia ihr erstes Wort gesagt hatte– Hund–, vor Begeisterung so laut aufgeschrien hatte, dass Amelia in Tränen ausgebrochen war. Sie erinnerte sich, wie sie Amelia aus Versehen ohne Windel in die Kinderkrippe gebracht hatte. Und an Amelias entgeisterten Blick, als Kate versucht hatte, ihrer achtjährigen Tochter auf dem Weg zur Schule zu erklären, was Sex war. Sie erinnerte sich an das Glücksgefühl bei den wenigen Malen, als Amelia sie im Teenageralter umarmt hatte. Und wie sehr es sie getroffen hatte, sie in demselben Alter bitterlich weinen zu sehen, fast wie eine Erwachsene.
    Letztlich erinnerte Kate sich an alles, was wichtig war. Vor allem vergaß sie nie, wie sehr sie ihre Tochter geliebt hatte. Und wie viel Mühe sie sich gegeben hatte, eine gute Mutter zu sein. Den Rest– die Unzulänglichkeiten, die Fehler, alles, was sie im Nachhinein anders gemacht hätte– versuchte sie zu verdrängen. Denn Seth hatte recht. Was bei der Erziehung herauskam, war zum größten Teil Glückssache.
    » Ich habe Julia heute getroffen « , sagte Kate. » Sylvia möchte dich hier besuchen kommen und dir sagen, wie leid ihr alles tut. Sylvia hat mir erzählt, was auf dem Dach passiert ist. Sie sagt, es war ein Unfall, und ich glaube ihr. Aber ich weiß immer noch nicht, was die Polizei vorhat. Sie mag ja jetzt die Wahrheit sagen, aber sie hat so lange gelogen. « Kate holte tief Luft und fuhr mit der Hand über den kurzen Rasen. » Zadie ist endlich weg. Sie haben sie auf ein Internat für schwererziehbare Jugendliche in Connecticut geschickt. Ihre Mom ist nicht mehr im Elternbeirat, und die Clubs wurden auch alle verboten, so heißt es zumindest. Es ist nicht genug, nichts wird je genug sein. Aber es ist immerhin ein Anfang. «
    Kate würde Amelia gern erzählen, sie hätte gehört, dass Dylan jemandem geschrieben hatte, sie habe Amelia doch geliebt. Aber in
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