Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)
Autoren: Kimberly McCreight
Vom Netzwerk:
hier auf der Bühne gevögelt. «
    » Du bist pervers, Sylvia. «
    » Also echt « , sagte sie, während sie weiter den Mittelgang hinunterschlenderte, » jetzt komm mir bloß nicht wieder mit der Mauerblümchennummer. Wir wissen doch beide, dass das lächerlich ist. «
    Ich folgte ihr, aber langsamer. Das brave Mädchen in mir sträubte sich immer noch dagegen, einen verbotenen Ort zu betreten. Und sich unbeaufsichtigt in der Aula aufzuhalten, war definitiv verboten. Es gab schließlich einen Grund dafür, dass der Saal nach wie vor so makellos war. Sylvia kletterte auf die dunkle Bühne und stellte sich in die Mitte. In der schwachen Notbeleuchtung sah sie gespenstisch aus, aber hübsch.
    » Was machen wir hier, Sylvia? « , fragte ich von unten.
    Ich versuchte, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen, denn das würde nur dazu führen, dass Sylvia das Ganze hier noch länger auskostete. Sie merkte es aber trotzdem.
    » Wir machen eine Reise zu den schönsten Momenten in unserem Leben, mein wertes Fräulein « , sagte sie mit gespieltem englischem Akzent und dramatischen Gesten. » Damit wir uns daran erinnern, was für großartige Mädchen wir sind! Und das hier, meine schöne Jungfrau, ist unsere erste Station. «
    Ich lächelte und schüttelte den Kopf. Sylvia war komplett verrückt, und gerade das gefiel mir manchmal besonders an ihr. Und sie war eine tolle Freundin. Trotz allem, was ich getan hatte, obwohl ich sie so schändlich belogen hatte, war sie immer noch für mich da. Genau in dem Moment, wo ich sie am meisten brauchte.
    » Ich verstehe nur nicht, was die Aula mit mir zu tun hat « , sagte ich.
    » Treten Sie auf die Bühne, Madame « , rief sie mir zu wie ein Zirkusdirektor. » Dann werde ich es Ihnen zeigen. «
    Als ich die Stufen hinaufstieg, bekam ich Lampenfieber, obwohl keine Menschenseele im Saal war.
    » Okay « , sagte ich, als ich in dem unheimlichen Licht neben ihr stand. Ich betrachtete die leeren Stuhlreihen. » Ich glaube, du verwechselst mich mit jemandem, denn bei mir klingelt überhaupt nichts. «
    » Wart’s ab « , sagte sie, fasste mich an den Oberarmen und schaute an mir vorbei in den leeren Saal. » Hier habe ich beschlossen, dass du meine beste Freundin werden solltest. Wir waren in der zweiten Klasse, es war der President’s Day, und Ms Ritter hatte mit uns einen kleinen Bühnenauftritt einstudiert. Du hast dir fast in die Hose gemacht vor Angst, als du auf die Bühne gehen solltest, dabei brauchtest du nichts anderes zu tun, als in der Reihe zwischen uns allen zu stehen und ein Pappschild mit dem Buchstaben G hochzuhalten. Aber das ist lange her. Du hattest solche Angst, dass du dich sogar vorher übergeben hast. Daran musst du dich doch erinnern. «
    » Ach ja « , sagte ich, und bei der Erinnerung daran drehte sich mir schon wieder der Magen um. Ich hatte das Erlebnis verdrängt, doch jetzt sah ich Ms Ritter wieder vor mir, die mir Papiertaschentücher reichte und mich fragte, ob ich mich immer übergab, wenn ich nervös war. » Ja, jetzt fällt’s mir wieder ein. Vielen Dank auch. Das war ein großartiger Moment. «
    » Für mich jedenfalls war es ein entscheidender Moment. «
    » Dass ich kotzen musste, war entscheidend dafür, dass du mich zur Freundin haben wolltest? Du hast sie ja nicht alle. « Der Anblick all der leeren Sitzreihen gab mir ein hohles Gefühl. Die Begeisterung über die gelungene Flucht aus Mr Woodhouse’ Büro war verflogen. Wenn dieser kleine Ausflug, den Sylvia sich ausgedacht hatte, zu Ende war, würde alles– der Plagiatsvorwurf, die Maggies, Dylan, meine peinliche E-Mail– wieder über mich hereinstürzen. » Übrigens wird mir auf der Bühne immer noch kotzübel vor Lampenfieber, sogar vor leerem Saal. «
    » Es war nicht das Kotzen, du Pfeife « , sagte Sylvia. Sie verschränkte die Arme und verdrehte die Augen. » Es war das, was du nachher gemacht hast. «
    » Und was war das? «
    » Du bist vom Klo zurückgekommen, die Hand voller Papiertaschentücher, aber mit einem Gesichtsausdruck wie eine Revolverheldin. Und dann bist du, ohne mit der Wimper zu zucken, mit uns auf die Bühne gegangen « , sagte Sylvia. » Von da an warst du meine Heldin. «
    » Danke, Sylvia « , sagte ich, » ich finde immer noch, dass es kein besonders glorreicher Auftritt war, aber trotzdem danke. «
    Dann fiel mir noch etwas ein, was an dem Tag passiert war. Nachdem ich die Bühne betreten hatte, war ich drauf und dran gewesen, schon wieder in Panik zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher