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Die letzte Visite

Die letzte Visite

Titel: Die letzte Visite
Autoren: Hans Gruhl
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bestimmt ein Irrtum! Ich weiß nichts von diesem
Urteil! Ich habe nie davon gehört!« Sie wandte sich um zu Pinkus und mir. »Sie
müssen mir glauben, Herr Bold, Sie wissen doch...«
    Nogees ließ sich auch täuschen. Wir
alle ließen uns täuschen.
    Zwischen Pinkus und mir war eine Lücke.
Wir standen jeder mit dem Rücken zu einer Zinne. Zwischen uns war eine freie
Lücke.
    Edeltraud warf ihren Körper mit einem
tigerhaften Sprung über den Stein. Niemand konnte sie halten. Der Stoff ihres
Mantels streifte meine Hand. Bierstein schrie etwas Unverständliches. Nogees
sprang nach vorn. Wir hörten den dumpfen, krachenden Aufschlag unter uns.
    Bierstein war als erster unten. Vor mir
liefen Nogees und Pinkus. Ich war der letzte.
    Edeltraud lag neben der Luke, durch die
sie mich gestoßen hatte. Der Kopf war seitlich abgewinkelt, sie lag auf dem
Gesicht. Ihre Arme lagen ausgebreitet und still.
    Bierstein kniete neben ihr und fühlte
den Puls. Er betastete den Kopf und den Hals. Ich wußte, er würde sich nicht
irren. Er richtete sich auf. Seine Haut war grau.
    »Nichts mehr. Genick.«
    Nogees faltete das Blatt mit dem Urteil
zusammen und steckte es ein.
    »Ich lasse sie holen«, sagte er.
    Wir gingen hinunter. Nogees sprach mit
dem Polizisten. Wir waren schon auf dem Weg, alle drei, Bierstein in der Mitte.
Niemand sprach. Überdeutlich sah ich den Sand, die Steine, jeden Baum.
    Der Turm blieb zurück.
    Vom Haus her kam jemand gelaufen. Es
war Schwester Olga von der Drei. Sie blieb vor uns stehen, atemlos.
    »Ach, Entschuldigung, Herr Oberarzt — es
ist — der Herr Reinhold. Es geht ihm so schlecht, ein Herzanfall, glaube ich.
Ich wollte Fräulein Doktor Bescheid sagen. Ist sie nicht mit Ihnen hinauf
gegangen?«
     
    ENDE

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