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Die letzte Visite

Die letzte Visite

Titel: Die letzte Visite
Autoren: Hans Gruhl
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wieder
hierher kommen...«
    »Ich wäre morgen vormittag ohnehin
gekommen«, sagte Nogees am anderen Ende.
     
     
     

VIII
     
    Ich wandte mich Petra zu, als ich
eingehängt hatte.
    »Er kommt morgen vormittag.«
    »Warum?«
    »Nicht die Spur einer Ahnung. Hat sich
nicht geäußert. Vielleicht führt er wieder ein kleines Stück mit uns auf.«
    »Er sollte lieber den Mörder finden!
Der läuft hier herum und — weißt du eigentlich, daß du noch immer in Gefahr
bist?«
    »Ich hatte es fast vergessen.«
    »Natürlich! Der Anschlag funktionierte
nicht! Jederzeit kann der nächste folgen.«
    »Bereitet dir das Kummer?«
    »Frag nicht so dumm!«
    Ich nahm ihre Hand und zog sie mit in
die Nähe des Grogs.
    »Trinken wir erst mal. Habe überhaupt
noch was Wichtiges vergessen.«
    Sie füllte die Gläser.
    »Was?«
    »Dir zu sagen, daß du die liebste
Grogherstellerin bist, der ich jemals begegnet bin.«
    »Ach.«
    »Ja. Man muß erst kurz vor seinem
seligen Ende stehen, bevor man ein Mädchen küßt und Du zu ihr sagt. Dabei
wollte ich das schon neulich am See tun. Immer nach dem Baden überkommt mich
das so stark.«
    »Das wäre was für den alten Freud. Du mußt
dir eine Psychoanalyse machen lassen.«
    »Mach ich. Vermutlich habe ich als
Neugeborener nach meinem täglichen Reinigungsbad regelmäßig die Kinderschwester
geküßt.
    Jetzt halte ich es mehr mit dem
Röntgen. Und nunmehr möchte ich die formlose Duzbrüderschaft aus dem Pumpenraum
in würdiger Form nachvollziehen. Widersprich nicht! Bedenke, daß ich
kältegeschädigt bin. Mein Name ist Johannes. Wie heißt du?«
    »Petra.«
    Ich stürzte den glühheißen Grog
hinunter und küßte Petra unanständig lange. Sie hatte nichts dagegen. Als sich
die Tür vom Flur her öffnete, waren wir erfreulicherweise schon auseinander.
    Bierstein.
    »War mir nicht wie Stimmengemurmel? Und
den Geruch kenn ich doch auch! Hat denn einer Geburtstag?«
    »Ich hab’ meinen vorverlegt, Herr
Oberarzt«, sagte ich.
    »Gute Idee. Zieh’n Sie sich immer so
warm an zum Grogsaufen?«
    Ich wollte ihm nichts erzählen. Heute
abend traute ich niemandem mehr außer Petra.
    »Ich komme mir seemännischer vor.«
    »Wollen Sie auch einen, Herr Oberarzt?«
    »Gerne, Mädchen. Aber nur einen. Muß
noch was tun.«
    Petra kredenzte ihm einen.
    »Was müssen Sie jetzt noch mitten in
der Nacht arbeiten?«
    »Meine Kamera umbauen. Das Ding muß ich
Ihnen zeigen, wenn’s fertig ist. Ganz was Neues. Sind noch nicht mal die
Japaner dahintergekommen.«
    »Patent schon angemeldet?« fragte
Petra, das freche Wesen.
    »Ganz im Ernst, Mädchen. Du wirst
lachen. Wenn das Ding so hinhaut, wie ich mir das denke, ist das Patent mühelos
drin. Na, also Prost!«
    Wir kannten das schon. Alles war
patentreif, bis auf das, was nicht patentreif war.
    Er erhob sich sofort, als er
ausgetrunken hatte.
    »Hoffentlich seht ihr morgen auch was
auf euern Bildern! Nacht zusammen.«
    »Nacht, Herr Oberarzt«, sagten wir im
Chor.
    Ich wartete, bis seine Schritte
verklungen waren.
    »Denkst du was Bestimmtes?« fragte ich
Petra.
    Sie nickte stumm.
    »Ich auch. Wollte der vielleicht
nachsehen, ob ich noch lebe?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich kann
mir’s nicht vorstellen. Er hat doch auch die Idee gehabt mit dem Morphium.
Glaubst du, er hätte das verraten, wenn er es gewesen wäre?«
    »Sicher, kluges Kind. Aber vielleicht
möchte er gerade, daß wir so denken, wie du eben gedacht hast.«
    »Es ist eine unheimliche Geschichte«,
sagte Petra.
    Die Flasche ging schnell zur Neige. Mir
wurde warm und fröhlich ums Herz. Außerdem bekam ich Mut.
    »Wie geht es dir jetzt?«
    Ihre Frage kam zur rechten Zeit.
    »Es geht mir ausreichend bis
mittelmäßig befriedigend. Die Gefahr einer doppelseitigen Pneumonie mit
anschließender Vereiterung sämtlicher Rippenfelle und Eintritt des Todes
infolge Zusammenbruchs des Kreislaufs scheint zunächst gebannt.«
    »Du sollst keinen Unsinn reden, sondern
sagen, wie es dir geht!«
    »Jawohl.« Ich log kräftig. »Bißchen
friere ich immer noch.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Was ich brauche wäre... eine
Wärmflasche vielleicht.«
    »Hab’ ich nicht.«
    »So? Nun — eine mit Ohren — vielleicht.«
    »Du hast wohl einen gelinden Knall«,
sagte Petra.
    »Es sollte nur eine Anregung sein.«
    Sie räumte die Trinkgefäße weg. Wir
gingen nach oben und sagten recht offiziell gute Nacht zueinander. Eine
Viertelstunde lag ich unter meiner Decke, wurde langsam wohlig warm, dachte an
das Bassin oben
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