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Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Schlacht
Autoren: James Barclay
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schaukelte in der Bugwelle des größeren Schiffs und fiel langsam zurück. Die Ruderer nahmen die Arbeit wieder auf, und der Kapitän lenkte das Schiff in die Fahrrinne zurück. Jhered nahm wieder seinen Platz am Bug ein, um die nächsten Boote mit Rufen zu vertreiben.
    »Das war knapp, Schatzkanzler«, sagte einer seiner Einnehmer.
    »Zu knapp«, erwiderte Jhered. »Aber beim nächsten Mal gibt es keine Gnade. Wir können es uns nicht erlauben. Ich wünschte nur manchmal, ich würde mehr auf meine eigenen Ratschläge hören.«
    »Was meint Ihr, mein Herr?«
    »Nichts«, schnaufte Jhered. »Schon gut.«
    Die restliche Fahrt bis zur Anlegestelle im Flusshafen verlief schlimmer, als Jhered es befürchtet hatte. Nirgends war Platz, um das Schiff festzumachen. Die Boote drängten sich so dicht, dass es wohl auch nicht nötig war. Die Mole war voller Menschen, und auf den Zufahrtsstraßen waren noch mehr unterwegs.
    »Wo kommen all die Leute her?«, fragte Mirron.
    Sie näherten sich langsam der Mole.
    »Kaum zu glauben, dass so viele Menschen in Gestern leben, was?«, fragte Jhered. »Aber kümmere dich nicht um sie. Wir haben ein größeres Problem.«
    Er deutete zu den mächtigen Seetoren, hinter denen der Seehafen lag. Mächtige Vorbauten aus Zement, die sich weit in den Fluss erstreckten, dienten den Toren als Verankerung. Fast vierzig Schritte breit und zwanzig Schritte hoch waren die Torflügel, die sich in der Flussmitte genau zusammenfügten. Sie waren aus Eisenstäben geschmiedet, die dicker als ein Mann waren, und mit den Umrissen von Bergen und den Geschöpfen der Tiefe geschmückt.
    Allerdings waren sie dazu gedacht, nur Eindringlinge, nicht aber die Flut draußen zu halten. Sie waren ein Monument der gesternischen Schmiede- und Ingenieurskunst. Die Achsen, an denen sie hingen, ähnelten fast schon kleinen Festungen und trugen jeweils eine Artillerieplattform mit schweren Ballisten und Onagern. Auch die brennenden Pechfässer, die da oben bereitstanden, waren nicht zu übersehen.
    Die Torflügel waren geschlossen.
    Der Bereich direkt vor ihnen war leer, eine ruhige Wasserfläche im Schatten, auf der einige Trümmerstücke schwammen. Mirron machte ihn darauf aufmerksam.
    »Anscheinend halten sie die Tore frei«, sagte Jhered. »Ich fürchte, die Ballisten haben heute schon geschossen, und sie werden es zweifellos wieder tun. Wo ist meine Gehilfin? Appros Paulites, wo seid Ihr?«
    »Hier, mein Schatzkanzler.«
    Jhered blickte auf die junge Frau hinab. Er mochte sie genauso, wie er Appros Menas gemocht hatte, die starke Frau, die Gorian ermordet hatte. Dafür würde er eines Tages büßen müssen. Paulites hatte helle Augen und war eher klug und wendig als stark; und sie war eine gute Bogenschützin, auch wenn sie mit dem Langbogen Schwierigkeiten hatte. Eine gute Mathematikerin war sie ebenfalls. Sie hätte es noch weit bringen können, doch Jhered glaubte nicht, dass sie alle noch sehr lange überleben würden.
    »Habt Ihr die Flagge?«, fragte er. »Ihr habt sie doch bei Euch, oder?«
    »Und Euer Siegel, mein Herr. Mit dem gebotenen Respekt möchte ich Euch erinnern, dass Ihr mir sagtet, Ihr würdet mir als Ersatz die Haut in Streifen vom Rücken schneiden und das Symbol der Einnehmer aufmalen, falls ich auf diese Frage jemals mit Nein antworte.«
    Jhered nickte. »Ich kann mich dunkel erinnern …«
    »Paul, wie konntest du nur?«
    Mirron war noch ein wenig bleicher geworden, soweit das überhaupt möglich war. Er breitete die Arme aus.
    »Immerhin, die Botschaft ist durchgedrungen, nicht wahr? Und jetzt hilft uns das vielleicht aus diesem Durcheinander heraus.«
    Paulites holte die Flagge aus dem Rucksack. Es war die Reserveflagge der Falkenpfeil, die sie verehrungsvoll hob.
    »Ich brauche sie nicht, Appros. Bringt sie zum Mast und lasst sie hissen.«
    »Jawohl, Schatzkanzler.«
    »Was hast du vor?«, fragte Mirron.
    »Ich werde anklopfen und mich ausweisen«, sagte Jhered. »Gewissermaßen.«
    Das Wappen der Einnehmer, das weiße Pferd der Del Aglios in einem Kreis verflochtener Hände, erregte natürlich Aufmerksamkeit. Viele hatten ihre Ankunft beobachtet, und Jhered hatte dafür gesorgt, dass seine Soldaten gut zu sehen waren. Die Erkenntnis, wer sie waren, verschaffte ihnen Raum, löste aber auch neue Bitten um Hilfe aus. Jhered blieb nichts anderes übrig, als sie zu ignorieren.
    Der Kapitän hielt das Schiff im freien Raum ungefähr zehn Schritte vor dem Tor an. Es war Flut, und die Ruderer mussten
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