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Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige

Titel: Die letzte Rune 02 - Der fahle Könige
Autoren: Anthony Mark
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hatte Aryn und Durge von dem Mann in Schwarz erzählt, den sie beobachtet hatte. Tagelang hatten die drei danach das Schloß durchsucht, aber sie hatten keine Spur des Vermummten gefunden, oder von dem, der …
    Willst du nicht sagen ›das‹, Grace?
     … die Fußspuren im Schnee hinterlassen hatte.
    Grace richtete ihre Gedanken wieder auf alltäglichere Geheimnisse, solche, bei denen sie wenigstens eine winzige Chance hatte, sie aufzuklären. Sie hatte inzwischen mit Adligen von den Höfen fast aller Könige und Königinnen der Domänen gesprochen, und mit jedem verstreichenden Tag formte sich in ihrem Kopf ein klareres Bild von den verschiedenen Positionen der jeweiligen Herrscher.
    Soweit Grace es beurteilen konnte, mußte Boreas sich über Kylar keine Sorgen machen. Der junge König von Galt verkündete in aller Öffentlichkeit, daß er ein zuverlässiger Verbündeter Calavans war. Persard von Perridon schien Grace hinterlistiger und unberechenbarer zu sein, aber die Worte Lord Suls unterstützten ihre Annahme, daß Perridon beim Rat Calavan unterstützen würde – solange es seinem eigenen Vorteil diente.
    Eminda wiederum war ein ganz anderer Fall. Es war Grace nicht gelungen, auch nur im mindesten an die Königin von Eredane heranzukommen, aber sie hatte Unterhaltungen ihrer Höflinge belauscht, aus denen ihr eines klargeworden war: Wenn Boreas sagte, der Himmel sei blau, würde Eminda eine Proklamation veröffentlichen, der zufolge er grün war. Eredane war ein aufsteigendes Reich und Calavan als die älteste und stärkste Domäne sein größter Konkurrent. Grace vermutete, daß Eminda jede Handlung Boreas’ als hinderlich für den Fortschritt Eredanes auslegen würde. Das hatte Grace Boreas während eines ihrer kurzen Treffen in der letzten Woche auch gesagt. Aber der König hatte darauf nur mit einem Brummen reagiert; ob er diese – oder eine ihrer anderen Informationen – für hilfreich hielt, hatte er für sich behalten.
    Jedenfalls hatte Grace ihr Bestes getan, die ihr von Boreas aufgetragene Mission zu erfüllen. Und sie war weitgehend erfolgreich gewesen. Sie wußte mit einiger Sicherheit, wie jeder der Herrscher zum Thema Krieg stand.
    Das hieß, jeder bis auf Königin Ivalaine.
    Grace hatte es nicht gewagt, noch einmal mit der schönen Königin von Toloria zu sprechen. Beim Gedanken an ihre eisfarbenen Augen, die in sie hineinschauen konnten – als könnten sie Dinge sehen, die jedem anderen verborgen blieben –, fühlte Grace sich nackt und elend.
    Warum eigentlich, Grace? Was, fürchtest du, könnte sie finden? Hast du Angst, daß sie dich als Hexe erkennt? Oder daß dein Inneres ganz leer ist?
    Sie verdrängte die Fragen. Es hatte sich ja auch gar keine Gelegenheit ergeben, mit einem Adligen von Ivalaines Hof zu sprechen. Die meisten von ihnen waren wie ihre Königin: attraktiv, tadelloses Benehmen und immer bereit, mit ihren Worten mehr neue Geheimnisse heraufzubeschwören als alte zu klären.
    Da kam Grace ein Gedanke. Es gab noch einen weiteren Herrscher, über dessen Motive sie in der vergangenen Woche nichts erfahren hatte. »Was ist mit Eurem König, Durge?« fragte sie plötzlich. »Von Ivalaine abgesehen, weiß ich von ihm am wenigsten.«
    Durge atmete hörbar aus. »Es ist nicht nötig, daß Ihr Zeit darauf verschwendet, meinen König auszuspionieren, Mylady. Ich kann Euch alles berichten, was Ihr wissen müßt. Ich fürchte, daß mein Gebieter stirbt.«
    »König Sorrin ist krank?« Ihre Instinkte als Ärztin verdrängten alle anderen Gedanken. »Wie lange schon? Welche Symptome hat er?«
    »Nein, Mylady. König Sorrin leidet nicht unter der Art Krankheit, die Ihr heilen könntet. Ich kann mir sogar vorstellen, daß er ein hohes Alter erreicht, was die Sache nur noch tragischer macht.«
    Grace blieb abrupt stehen. »Ich fürchte, ich kann Euch nicht folgen.«
    »Es ist ein Leiden des Geistes, das meinen König befallen hat. Er lebt in ständiger Angst vor dem Tod, und so stirbt er jeden Tag ein Stück mehr.«
    Durge trat an ein schmales Fenster – eine Schießscharte, durch die Bogenschützen hinaus, aber niemand hineinschießen konnte – und starrte den schmalen Streifen Himmel dahinter an. »Sorrins Todesangst ist zu einem Gefängnis geworden, das stabiler als jedes aus Steinen gemauerte ist. Ich glaube auch nicht, daß er ihm jemals entkommen wird. Seine Furcht vor dem Tod verzehrt ihn, so daß er an nichts anderes mehr denken kann. Er vergräbt sich den ganzen Tag
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