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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
Autoren: Nancy Bilyeau
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erwartete, blieb er stehen und musterte mich mit verwundertem Blick. Er hatte blaue Augen, so blau wie die Hyazinthen, die meine Mutter aus Spanien hatte kommen lassen und in den Gärten gepflanzt hatte. Seine Kleidung war anständig, aber keineswegs die eines wohlhabenden Mannes; an den Ärmeln waren die Nähte zu erkennen, die verrieten, dass die Jacke für ihn geändert worden war. Er war nicht begütert genug, um sich seine Kleider auf den Leib schneidern zu lassen.
    »Wo sind Eure Leute?«, fragte er zum zweiten Mal.
    »Ich bin allein hier.«
    »Keine Verwandten, keine Bediensteten? Ihr seid doch eine   – Frau von Stand?«
    Er blickte mich fragend an. Ich widersprach nicht.
    »Wie konntet Ihr dann heute nach Smithfield kommen? Ihr müsst mir gestatten, Euch augenblicklich von hier wegzubringen. Eine junge Frau, die aussieht wie Ihr, ganz allein   …« Er sprach nicht weiter.
    Ich schüttelte beklommen den Kopf.
    »Bitte, Ihr braucht keine Angst vor mir zu haben. Mein Name ist Geoffrey Scovill, ich bin Constable meines Bezirks.«
    Hinter uns begannen zwei alte Männer, die sich laut beschimpft hatten, aufeinander einzuprügeln.
    »Seht Ihr? Mit dem Pack hier ist nicht zu spaßen.«
    »Und warum seid Ihr dann hier?«
    Er lächelte über meine spitze Frage. Die Fältchen um seine Augen verrieten, dass er nicht mehr so jung war, wie ich zunächst geglaubt hatte, den Dreißig näher als den Zwanzig. »Ich bin als Beobachter hergeschickt worden, um zu bezeugen, dass das Urteil des Königs ordnungsgemäß vollstreckt wird. Diese Frau hat zum Aufruhr gegen unseren Souverän angestiftet.«
    Zornig entgegnete ich: »Eine Frau sterben zu sehen   – das gefällt Euch?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Sie ist Mutter«, sagte ich. »Sie hat einen Sohn und eine kleine Tochter, die noch in den Windeln liegt. Wusstet Ihr das?«
    Geoffrey Scovill trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Es ist sehr bedauerlich, dass die Verurteilte eine Frau ist. Aber man muss ein Exempel statuieren. Lady Margaret Bulmer ist eine Gefahr für uns alle.«
    »Gefahr?« Meine Stimme wurde laut. »Sie wollte niemandem Böses. Sie und die anderen wollten etwas bewahren, eine Lebensform, die seit Jahrhunderten Tradition ist. Die den Armen und den Kranken Trost spendet. Sie haben sich aus tiefstem Gefühl heraus erhoben. Es ist niemals ihre Absicht gewesen, den König vom Thron zu stürzen, sie wollten ihm nur ihre Trauer nahebringen. Sie wollten sich beim König Gehör verschaffen.«
    Wieder lachte er wie ein zynischer alter Mann. »Er hat sie gehört, daran besteht kein Zweifel. Sie können sich der
vollen
Aufmerksamkeit Seiner Majestät sicher sein.«
    Wütend über den Spott, ging ich davon.
    Er folgte mir und hielt mich am Ärmel fest. »Wartet. Wir unterstehen alle dem König, er ist unser gesalbter Herrscher. Wenn er die Kirchengesetze zu ändern wünscht, dann obliegt es uns, ihm zu folgen und auf seine weltliche und geistliche Oberhoheit zu vertrauen. Stimmt Ihr mir da nicht zu?«
    »Ich stimme Euch zu, dass das Volk seinem König Gehorsam schuldet«, murmelte ich.
    Erleichtert sagte er: »Eben   – und wenn Rebellen und Verräternicht bestraft würden, was würde daraus entstehen? Die Monarchie würde geschwächt; wir würden alle im Chaos versinken. Aber natürlich kann eine solche Bestrafung schmerzlich sein   …« Mit zusammengekniffenen Augen blickte er einen Moment auf einen Punkt in der Ferne, dann bot er mir den Arm. »Wenn Ihr es mit eigenen Augen seht, wird Euch das vielleicht umstimmen.«
    »Nichts kann mich umstimmen. Ich bin hergekommen, um der Hinrichtung der Gefangenen beizuwohnen.«
    »Dann erlaubt mir, Euch zu zeigen, wo sie stattfinden wird.«
    Ich zögerte, dann sagte ich: »Also gut.«
    Geoffrey Scovill bahnte uns geschickt einen Weg durch die dichte Menge bis zu einem langen, behelfsmäßig errichteten Zaun, hinter dem sich, von einem zweiten Zaun abgegrenzt, eine ungefähr zwanzig Fuß breite Gasse entlangzog.
    Er wies nach links, und dort erblickte ich einen großen Stoß Holzscheite und dürre Äste, der rund um ein hohes Fass aufgeschichtet war. Von dem Fass ragte ein Holzpfahl in die Höhe.
    »Dort wird sie verbrannt«, sagte er.
    Ich atmete tief durch und versuchte, meine Furcht zu verbergen.
    »Als Constable kenne ich die verschiedenen Formen der Hinrichtung. Dies hier wird eine langsame Verbrennung werden. Es wäre barmherziger, sie hierherzubringen und dann erst den Scheiterhaufen um sie herum
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