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Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne

Titel: Die letzte Nonne - Bilyeau, N: Die letzte Nonne
Autoren: Nancy Bilyeau
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zu beten. Ich wusste nicht, dass ich meinen Vater in Smithfield treffen würde.«
    »Ihr kommt aber nicht aus dem Norden?« Seine Stimme war jetzt nicht mehr so schwach wie zu Anfang. »Ihr wart nicht in die Rebellion gegen den König verwickelt?«
    »Nein, natürlich nicht. Margaret ist vor ungefähr vier Jahren nach Nordengland gegangen und hat dort Sir John geheiratet. Ich habe sie seither nicht mehr gesehen; die Reise ist viel zu weit. Nur Briefe, und nur ein einziger im vergangenen Jahr. Ich weiß nichts über die Rebellion. Mir ist unbegreiflich, warum Margaret sich da hineinziehen ließ.«
    Geoffrey Scovill runzelte die Stirn. »Aber warum habt Ihr und Euer Vater dann so viel aufs Spiel gesetzt, um ihr bei ihrer Hinrichtung beizustehen? Das verstehe ich nicht.«
    Ich antwortete nicht. Das Wasser plätscherte zum rhythmischen Schlag der Ruder, und der schwache Klang von Gelächter streifte uns, als das Boot an einem Herrenhaus nahe am Ufer vorüberglitt. So unglaublich es schien, hinter diesen Mauern amüsierte man sich.
    Geoffrey Scovills nächste Worte waren scharf.
    »Wenn ich jetzt in den Tower of London gebracht werden soll, weil ich eingegriffen habe, um Euch zu helfen, Miss, habe ich ein Recht auf die ganze Wahrheit.«
    »In den Tower?«, flüsterte ich.
    »Ja, natürlich   – wohin sonst?«, versetzte er ungeduldig. »Deshalb hat es so lange gedauert, bis man uns aufs Boot brachte. Sie mussten die Gezeiten abwarten. Und wir werden gleich da sein, wenn ich mich nicht täusche. Also sprecht mit mir!«
    Tief im Innern hatte ich schon geahnt, wohin unser Weg führte. Es war also eigentlich keine Überraschung. Trotzdem wurde mir eiskalt, als ich den Namen der alten Burg- und Gefängnisanlage hörte. Ich erinnerte mich an die Kämpfe, die meine Cousins früher mit ihren Spielzeugschwertern ausgetragen hatten. »Ab in den Tower«, riefen sie am Ende dem Besiegten zu. »Jetzt wird dir der Kopf abgeschlagen!«
    Das Licht trübte sich. Es war jene ungewisse Stunde, wenn die Sonne fort ist, aber die Sterne ihre Plätze am Himmel noch nicht gefunden haben. Auf der Mitte des Flusses, abseits der frisch entzündeten Fackeln an den Ufern, war der Abend dicht und dunkel. Ich konnte Geoffrey Scovills Gesicht nicht genau sehen, das erleichterte mir den Versuch, ihm eine Erklärung zu geben.
    »Sie war mehr als nur eine Cousine, sie war als Kind meine einzige Freundin«, sagte ich. »Ich konnte sie nicht allein in diesen entsetzlichen Tod gehen lassen. Ich wollte noch etwas für sie tun, etwas ganz Bestimmtes, nach ihrem Tod, aber dazu ist es nicht gekommen. Was meinen Vater nach Smithfield geführt hat, weiß ich nicht. Wir haben längere Zeit keinen Kontakt gehabt. Aber ich kann Euch versichern, dass er kein Mann der Politik ist. Er verabscheut und fürchtet alles, was mit Politik zu tun hat.«
    Ich holte Atem, ehe ich fortfuhr.
    »Sagt Euch der Name Stafford etwas?«
    Er überlegte einen Moment. »War das nicht der Familienname des Herzogs von Buckingham?«
    »Richtig«, bestätigte ich. »Er war der älteste Bruder meines Vaters.«
    Geoffrey Scovills Stimme wurde leise und vorsichtig. »Der dritte Herzog von Buckingham wurde vor fünfzehn Jahren wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und hingerichtet.«
    »Vor sechzehn«, korrigierte ich. Als spielte das eine Rolle.
    »Er wurde angeklagt, einen Umsturz geplant zu haben, um aufgrund seiner Verwandtschaft mit dem alten Königshaus der Plantagenets selbst den Thron zu besteigen. Es gab einige, die glaubten, er habe mehr Anspruch darauf als Heinrich Tudor.«
    »Es hat wohl hier und jetzt keinen Sinn zu sagen, dass all diese Vorwürfegegen meinen Onkel völlig ungerechtfertigt waren?«, fragte ich.
    »Nein«, brummte Geoffrey Scovill.
    Dann kam die Frage, auf die ich gewartet hatte. »Folglich müsst auch Ihr mit dem König verwandt sein?«
    »Ich gehöre nicht zum königlichen Hof«, wehrte ich ab. »Ich bin dem König zuletzt vor zehn Jahren begegnet.«
    Er wiederholte: »Ihr seid mit König Heinrich VIII. verwandt?«
    Ich seufzte. »Meine Großmutter und König Heinrichs Großmutter waren Schwestern.«
    »Und Eure Cousine Margaret?«
    »War die Tochter meines Onkels, des Herzogs.« Ich zögerte einen Moment und setzte dann hinzu: »Die illegitime Tochter.«
    Jetzt war er es, der schwieg. Still blickte er eine Weile auf den Fluss hinaus, bevor er schließlich sagte: »Danke. Ich fange langsam an zu verstehen.«
    »Aber Ihr wisst noch nicht alles«, sagte ich mit
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