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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune
Autoren: Nicolas Remin
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Contarini hasste, ließ sich der
Verdacht leicht auf ihn lenken. Zumal ich ein paar Informationen
anzubieten hatte.»
    «Diese
Geschichte in Wien?»
    Lodron nickte.
«Der Schurke konnte jetzt nur noch Contarini heißen.
Natürlich hatte er Petrelli erschossen und zweimal
versucht, Flyte zu töten. Verhaften konnte man ihn nicht, aber
aus der Stadt vertreiben. Sodass er nicht länger eine Gefahr
für unseren englischen Freund darstellte.»
    «Der also allen
Grund gehabt hätte, dankbar und entsprechend kooperativ zu
sein», sagte Tron.
    Lodron nickte.
«Davon ging ich aus. Aber als ich ihn am Mittwoch besuchte,
war er weder das eine noch das andere. Allerdings hatte ich diesen
Fall vorsichtshalber einkalkuliert.»
    «Was soll das
heißen?»
    «Ich war darauf
vorbereitet, ihn notfalls zu eliminieren und eine falsche Spur zu
legen.»
    «Der Ring mit
Contarinis Wappen?»
    Lodron lachte.
«Bei einem Trödler gekauft. Ein reiner Zufall, der mir
dann aber sehr zustattenkam. Dass Sie am Mittwoch ebenfalls Grund
hatten, Flyte einen Besuch abzustatten, konnte ich nicht ahnen.
Insofern war der Zeitpunkt meines Besuchs unglücklich
gewählt. Aber es hat ja dann alles ein gutes Ende gefunden.
Flyte hatte die entsprechenden Unterlagen in seiner Wohnung. Mein
Aufbruch gestaltete sich zwar etwas überstürzt, aber ich
hatte das, was ich brauchte. Die Hütte zu lokalisieren war
kein Problem. Ich war am nächsten Tag im
   
    catasto, im Grundbuchamt. Da
sah ich, dass die Trons hier oben Grundbesitz
haben.»
    «Und Sie sind
jetzt hier, um sich den Gral zu holen?»
    Lodron schüttelte
den Kopf. «Das wird nicht nötig sein.»
    «Warum
nicht?»
    «Weil Sie es
bereits für mich getan haben. Die Albertis haben nur gesagt,
dass Sie kämen. Sie haben mir verschwiegen, dass Sie bereits
hier waren. Und wie ich sehe, haben Sie Erfolg
gehabt.»
    Natürlich, dachte
Tron. Die Tasche hing immer noch über seiner Schulter. Die
Tasche mit dem Glas aus der Rue de Rivoli. Mit dem Gral. Offenbar glaubte
Lodron, er sei von der Casa dei Tuffi hereingekommen und
nicht von Chiesa Nuova. War das ein Vorteil? Vielleicht.
    Tron überlegte.
Die Haustür hatte er im Rücken. Zwischen Lodron und ihm
stand der große, roh zusammengezimmerte Tisch der Albertis,
darauf die Schachteln mit den Glasperlen und ein paar Teller.
Rechts an der Wand war die Tür, zu der die Blutspur
führte. In der Mitte der linken Wand befand sich ein Fenster,
durch das jetzt die Wintersonne in den Raum schien.
    Sollte er versuchen zu
fliehen? Sollte er Lodron die Tasche mit dem Gral einfach an den
Kopf werfen und darauf rechnen, dass Lodron zuerst versuchen
würde, die Tasche aufzufangen? Keine Frage - Lodron würde
die Tasche auffangen, aber der Rest würde nicht funktionieren.
Tron schätzte, dass die Haustür vier bis fünf
Schritte entfernt war - im Idealfall brauchte er dafür
mindestens drei Sekunden. Lodron hatte Zeit genug, ihm eine Kugel
in den Rücken zu jagen. Und vorausgesetzt, er würde es
tatsächlich ohne eine Kugel im Rücken nach draußen
schaffen - was dann? Was würde vor der Tür geschehen? Es gab
hier nirgendwo ein Versteck, nur flaches, schneebedecktes Land.
Lodron würde wenig Mühe haben, ihn zur Strecke zu
bringen.
    Blieb also nur eine
einzige Lösung. Er musste Lodron töten, bevor
Lodron ihn tötete. Und plötzlich
wusste Tron, was er tun würde. Es war seine einzige Chance.
Sie war minimal, aber er hatte nichts zu verlieren. Mit der rechten
Hand nahm er die Tasche von seiner linken Schulter, während er
gleichzeitig zwei Schritte nach vorne trat. Jetzt stand er eine
Armlänge vom Tisch entfernt und konnte die Aufschrift auf
einer der Schachteln mit den Perlen lesen, perle veneziane, in übertrieben
großen Buchstaben, was ein Indiz dafür sein konnte, dass
die Perlen in Wahrheit aus Albanien stammten. Daneben standen zwei
Teller mit Brot und Oliven, die Henkersmahlzeit der
Albertis.
    Lodron lauerte auf der
anderen Seite des Tisches und hatte die Waffe immer noch im
Anschlag. Er sagte nichts, sondern wartete mit dem zufriedenen
Gesichtsausdruck eines Mannes, der sein Spiel gewonnen hat und nun
bereit ist, den Gewinn zu kassieren. Tron nahm die Tasche von
seiner Schulter. Er hielt sie mit der linken Hand, während die
rechte nach dem Glas tastete, das er heute Morgen im Palazzo
Balbi-Valier in eine wollene Hausjacke der Principessa gewickelt
hatte. Die Jacke war aus schwarzem Kaschmir und duftete nach
Frangipani. Tron holte tief Luft, dann zog er das Glas
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