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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune
Autoren: Nicolas Remin
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also nicht verschwinden, ohne vorher einen Blick hinter
die Tür geworfen zu haben, an der die fatale Blutspur
endete.
    Als Tron die Tasche
mit dem Glas spürte, die über seiner Schulter hing,
dachte er: Das Glas wird dir Unglück
bringen. Das war natürlich albern,
denn das Glas in seiner Tasche stammte aus der Rue de Rivoli und
war zur Aufbewahrung von Badesalz bestimmt gewesen. Er tat einen
tiefen Atemzug und hörte die Worte in dem Augenblick, als er
sich in Bewegung setzte.
    «Ich glaube
nicht, dass Sie dieses Zimmer betreten sollten», sagte eine
Stimme hinter ihm.
    Tron fuhr auf dem
Absatz herum, und noch während er sich umdrehte, wusste er,
mit wem er es zu tun hatte. Der Mann hatte gelispelt.
    Lodron stand neben dem
Durchgang, der zur Hintertür des Hauses führte, und sah
ausgesprochen zufrieden aus. Die Waffe, deren Lauf er auf Tron
gerichtet hielt, war ein schwerer Armeerevolver, eine solide
Tötungsmaschine, deren Projektile faustgroße Wunden
rissen und regelrechte Blutlachen zurückließen. Passend
dazu trug Lodron einen Militärmantel, den er geöffnet
hatte - so wie ein Mann, der bei einer schweren Arbeit ins
Schwitzen geraten war. Er lachte dasselbe kultivierte Lachen, das
er von sich gegeben hatte, als er Tron im Danieli den
Tristan-Akkord erklärt hatte.
    «Eigentlich
dürften Sie nicht überrascht sein, Commissario»,
sagte Lodron. «Sie hatten ja jemanden erwartet. Jedenfalls
sagte das Signor Alberti.»
    Ein paar Sekunden lang
war Tron unfähig zu atmen. Dann spürte er, wie
plötzlich Luft mit einem saugenden Geräusch in seine
Lunge strömte. «Wo sind die Albertis?», fragte er.
Eine überflüssige Frage.
    Lodrons Gesicht nahm
einen feierlichen Ausdruck an. Er sagte ohne eine Spur von
zynischem Humor: «Der Herr hat sie zu sich
gerufen.»
    Herr in
Großbuchstaben - mit einer Betonung, die Tron nicht gefiel.
Auf der Wand, vor der Lodron stand, hatten sich Risse gebildet, die
wie ein großes, in den Putz geritztes W aussahen. W wie
Wahnsinn, dachte Tron.
    «Sie sind beide
tot?» Wieder eine überflüssige Frage.
    «Sie hatten
versucht, mich zu belügen», sagte Lodron.
    «Was wollen
Sie?», fragte Tron, obwohl er es genau wusste.
    Lodron wollte den
Gral. Dafür hatte er sie alle ermordet -Petrelli, Marchmain,
Flyte, die Albertis. Und er, Tron, war zweifellos der Nächste
auf Lodrons Liste. Andererseits hatte er das Gefühl, dass
Lodron vorher mit ihm reden wollte. Aus Eitelkeit. Und weil er
verrückt war.
    «Die Spur zu
Ende verfolgen, auf die wir vor drei Monaten in der Hofburg
gestoßen sind», sagte Lodron. Er sprach in einem
sachlichen Geschäftston, der in krassem Gegensatz zu dem
Militärrevolver stand, dessen Lauf immer noch auf Tron
gerichtet war.
    «Also hatte
Flyte recht», sagte Tron. «Es haben sich doch Teile der
Tagebücher in Ihrer Bibliothek angefunden.»
    Lodron nickte.
«Ich frage mich, wie Dr. Flyte die Bögen übersehen
konnte, als er in der Hofbibliothek geforscht hat. Jedenfalls
fanden sich zwei Seiten, auf denen ein Glas aus dem Besitz eines
gewissen Ari Matheus erwähnt wurde. Und von Ari Matheus auf
Joseph von Arimathäa zu kommen war nicht schwer. Da wusste
ich, worum es ging.»
    «Was haben Sie
daraufhin getan?»
    «Mich an den
Adjutanten des Kaisers gewandt, mit dem ich bekannt bin. Franz
Joseph war förmlich elektrisiert. Er hat sofort entschieden,
mich nach Venedig zu schicken, um den Gral nach Wien zu holen. Die
Frage war, ob Flyte wusste, worum es ging. Es hätte sich
jedenfalls alles durch einen erfolgreichen Einbruch in den Palazzo
Tron erledigt.»
    «Und als klar
war, dass es sich bei dem Glas aus dem Palazzo Tron nicht um den
Gral handelte?»
    «Wollte ich
Flyte zur Kooperation bewegen», sagte Lodron. «Aber der
hat auf das Abkommen zwischen dem Foreign Office und dem
Ballhausplatz gepocht. Und das hat mich wütend
gemacht.»
    Lodrons Züge
verzerrten sich plötzlich. Sein Mund öffnete sich wie im
Krampf, und einen Moment lang sah er aus wie ein Vampir mit zwei
spitzen Eckzähnen. Mit seinem Gebiss schien tatsächlich
etwas nicht zu stimmen. Vielleicht war das Lispeln darauf
zurückzuführen.
    «So wütend,
dass Sie versucht haben, ihn zu töten?»
    Lodron seufzte.
«Leider habe ich auf der Straße nur sein Zigarettenetui
getroffen. Und zwei Tage später im Fenice ist dann diese
alberne Panne passiert.»
    «Die
Verwechslung der Logen? Spaurs Theorie?»
    Lodron lachte.
«Das war meine Theorie - sie stimmte ja auch. Und
da ich wusste, wie sehr Spaur
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