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Die letzte Lagune

Die letzte Lagune

Titel: Die letzte Lagune
Autoren: Nicolas Remin
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löste wie dieser Contarini.
Und er war Venezianer. Einen besseren Mann für diese Mission
gab es nicht.
    Der Papst arrangierte
seine Gesichtszüge wieder zu einem wohlwollenden Lächeln.
Er hatte beschlossen, diese Konferenz im Stehen abzuhalten. Und
dass sie kurz sein würde.
    «Der Camerlengo
hat Sie instruiert, Monsignore?»
    Contarini
beschränkte sich darauf, stumm zu nicken. Der Papst
registrierte, dass die Miene seines Gegenübers absolut neutral
war. Nicht verschlossen wie die eines Mannes, der etwas zu
verbergen hat, sondern einfach - neutral. Er hasste diesen
Gesichtsausdruck. Es ließ sich nichts aus ihm
herauslesen.
    «Sie haben auch
die Dokumente studiert?»
    «Ja, Heiliger
Vater.»
    Der Papst ordnete das
Pektorale auf seiner Brust. «Und was ist Ihr Eindruck,
Monsignore?»
    Contarinis linke
Augenbraue hob sich ein paar Millimeter. Dies ließ sich als
Ausdruck leichter Skepsis verstehen - oder auch nicht.
    «Wenn diese
Aufzeichnungen tatsächlich ...» Contarini brach den Satz
ab. Es war klar, was er dachte und dass er vermeiden wollte, es
direkt auszusprechen.
    Der Papst
lächelte säuerlich. «Sie sind echt,
Monsignore.»
    Contarini senkte
demütig den Kopf. «Dann würde die heilige Kirche
eine Waffe von ungeheurer Macht besitzen.»
    «Vorausgesetzt,
es kommt uns niemand zuvor.»
    «Wer? Dieser
Engländer, der das Tagebuch in der Marciana entdeckt
hat?»
    Der Papst hob die
Schultern. «Wir wissen nicht, was in dem Teil des Tagebuchs
steht, den er in der Bibliothek entdeckt hat. Möglicherweise
ist er noch völlig ahnungslos. Er scheint nur langsam
voranzukommen.»
    «Uns bleibt also
noch Zeit?»
    «Vielleicht.»
    «Und wenn dieser
Flyte bereits begriffen hat, worum es sich
handelt?»
    Der Papst stieß
einen Seufzer aus. In diesem Fall wäre der Engländer ein
echtes Problem. Wie weit würden sie dann gehen? Gehen müssen ?
Er vermied eine präzise Antwort.
    «Sprechen Sie
mit dem Polizeipräsidenten», sagte er. «Baron
Spaur ist der heiligen Kirche verpflichtet, und Sie sollten ihm das
ins Gedächtnis rufen. Notfalls muss er diesen Flyte unter
einem Vorwand ausweisen. Politische Gründe finden sich
immer.»
    «Sodass wir
Zugriff auf das Tagebuch hätten?»
    «Das Tagebuch
stammt aus einem unserer venezianischen Klöster»,
erwiderte der Papst. «Aus San Lazzaro. Es gehört also
rechtmäßig der heiligen Kirche.»
    «Und dieser
Commissario Tron? Er ist der direkte Nachfahre von Zanetto Tron.
Vielleicht befindet sich das, wonach wir suchen, im Palazzo
Tron.»
    Der Papst machte ein
skeptisches Gesicht. «Ohne dass die Trons davon
wüssten?»
    «Diese alten
venezianischen Paläste sind vollgestopft mit allem
möglichen Plunder», gab Contarini zu bedenken.
«Die Trons könnten es einfach übersehen
haben.»
    Der Papst
lächelte. «Ein halbes Jahrtausend lang? Das ist
unwahrscheinlich.» Er schüttelte den Kopf. «Unser
Problem ist dieser Flyte. Sollte sich herausstellen, dass er
bereits auf der Suche ist, müssen Sie die erforderlichen
Maßnahmen ergreifen.»
    Er räusperte sich
und warf einen demonstrativen Blick auf die Stutzuhr auf seinem
Schreibtisch - das Signal, dass die Unterredung beendet
war.
    Doch Contarini
rührte sich nicht und stellte stattdessen eine Frage. «Et peccatis
meis?»
    Der Papst drehte den
Kopf zur Seite und blickte auf die Piazza San Pietro hinab. Er
konnte den langen Schatten sehen, den der vatikanische Obelisk auf
die piazza
obliqua warf. Dass sich der Monsignore
absichern würde, hatte er befürchtet. Er erhob die Hand
zum Zeichen des Kreuzes. Es war unvermeidbar. «Deinde ego te absolvo a
peccatis tuis.»
    Die Spur eines
Lächelns huschte über das Gesicht des Monsignore. Dem
Papst kam der Gedanke, dass es Contarini womöglich
Vergnügen bereiten würde, von der im Voraus erteilten
Absolution Gebrauch zu machen. Dann beobachtete er, wie sich der
Monsignore verneigte und langsam zur Tür schritt.
    «Deus lo
volt», murmelte er, als sich die Tür
hinter Contarini schloss. Unwillkürlich benutzte er die Worte,
mit denen Urban II. im Jahre des Herrn 1095 zum Kreuzzug aufgerufen
hatte. Gott
will es.

2
    Sie beugte sich
über den Frühstückstisch und las den Text zum
zweiten Mal - vier Bögen in akkurater Kanzleischrift, auf der
linken Seite der übliche, zwei Finger breite Heftrand. Franz
Joseph hatte die beiden Leiblakaien, die normalerweise beim
Frühstück bedienten, mit einer knappen Handbewegung
entlassen. Dann hatte er sie mit geheimnisvoller Miene
aufgefordert, vier
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