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Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)

Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)
Autoren: Ellen Connor
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zitiert und behauptet, Einblick in großartige magische Vorgänge zu haben, die sich ankündigten, und sie wollte nichts mit irgendeinem seiner verrückten Freunde zu tun haben. Sie hatte schließlich gesehen, wie sein Leben voller Paranoia und Entbehrungen ihre Mutter ruiniert hatte.
    Deshalb der Umzug ins ruhige, langweilige, abgelegene Culver. In dieser unsicheren Zeit hatte es wie der letzte Ort gewirkt, an den die Schwierigkeiten sie verfolgen konnten.
    Natürlich hatte sie die Gerüchte über den Notstand an der Ostküste gehört – Stromausfälle und Krawalle –, aber nichts kam einem jemals real vor, bis es an die eigene Tür klopfte. Sie rechnete schon eine Weile damit, dass die Wirren sich nach Westen ausbreiten würden, allerdings in dramatischer Form, nicht nur als Gangster mit einer Knarre.
    In Culver gab es keine Überfälle. Dies war ein Ort, an dem die Menschen sich mit blinder Entschlossenheit an eine aussterbende Lebensweise klammerten. Sie ignorierten die Updates der New Media Coalition, die alle Handy- und Internetzugänge innerhalb des neuen Netzwerks kontrollierte. Sie gingen ihrer Arbeit nach und taten so, als wären sie von den Nachschubproblemen noch nicht betroffen. Wenn die Leute jetzt hausgebrautes Bier statt Bud Light tranken, dann sprach niemand davon.
    Was zur Hölle ist also los?
    Vielleicht war dieser Bursche ein entflohener Ganove aus der Strafvollzugsanstalt in Northbend. Es war nichts Ungewöhnliches, dass einer der Häftlinge ausbrach und in der Wildnis lebte, bis er sich dann hervorwagte, wenn er dringend etwas zu essen und Vorräte brauchte. Sie stieß eine neblige Atemwolke aus. Kalt. Es war so kalt. Er würde auch Wintersachen brauchen. Wenn Jenna ihm gab, was er wollte, würde er vielleicht weggehen. Das hoffte sie zumindest.
    Wegen ihres Vaters hatte sie heimlich eine Schwäche für Gesetzlose und Rebellen, aber das milderte nicht die Furcht, die sie im Magen verspürte.
    Sie blieb ruhig. »Ich habe drinnen Sachen, die du brauchen kannst. Suppe, einen Polarschlafsack, so gut wie alles, was du benötigst, um draußen durchzukommen. Du musst mir nichts stehlen. Ich gebe dir das Zeug. Ohne Gegenleistung.«
    Schweigen.
    Vielleicht hätte sie etwas anderes befürchten sollen. Etwas Schlimmeres. Jenna konnte sich noch nicht einmal überwinden, die Worte im Kopf zu formen. So etwas passierte in Culver nie. Sie hätte nicht in Gefahr geraten sollen, wenn sie nur die Einfahrt entlangging, um die Post zu holen. Sie hatte daran gedacht, in die Stadt zu gehen, zu Deb und Mara im Louie , an Alkohol, Lachen, Freunde – nicht daran, sich gegen einen bewaffneten Angreifer zu verteidigen.
    »Bist du Jenna Barclay?«, fragte er.
    Das Herz pochte ihr bis zu den Ohren. Sie fragte sich, ob sie lügen sollte. Würde das alles noch schlimmer machen? Sie spürte den scharfen Geschmack der Angst auf der Zunge. Sie würde einem verzweifelten Mann keinen Grund geben, ihr wehzutun. Manchmal brauchte so jemand keinen Grund, aber sie würde es schlau anstellen. Und davonkommen.
    »Ja«, stieß sie hervor. »Ich bin Jenna. Was willst du?«
    Statt die Frage zu beantworten, kam er auf die zurück, die sie vorhin gestellt hatte: »Nein, das ist kein Überfall.«
    Sollte das vielleicht eine Unterhaltung werden, während er sie mit einer Schusswaffe bedrohte? Sie spürte den Lauf durch die dicken Daunen ihrer Jacke und weigerte sich, daran zu denken, wie Kugeln ihr Fleisch durchsiebten und blutbefleckte Federn aufspritzten.
    Kein Weglaufen, keine plötzlichen Bewegungen. Sie würde es schaffen. Sie musste ihn nur dazu bringen, sie als Person zu betrachten. Nicht als Gegenstand, den er mit in den Wald nehmen konnte, um seinen Spaß damit zu haben.
    »Was ist es dann?«
    »Eine Entführung«, sagte er und stopfte ihr einen Lappen in den Mund.
    Er bewegte sich zu schnell, als dass sie hätte nachdenken können – sogar schneller als die Panik, die auf seine Worte folgte. Jenna hörte ein Reißen, bevor er ihr einen Streifen Isolierband über den Mund klebte. Als er sie sich über die Schulter warf, prallte ihr Bauch gegen seinen Rücken. Sie war völlig außer Atem; ihr kam der irrationale Gedanke, dass er nach Wald roch: ein würziger Hauch von Kiefern, vermischt mit frischer Luft und Moos.
    Er schleppte Jenna, als würde sie nichts wiegen, hockte sich hin, schnappte sich ihre Schlüssel und rannte die Einfahrt hinauf zu ihrer Garage. Er hebelte mit einer Hand das Tor auf und fesselte ihr die Knöchel mit
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