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Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Titel: Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
Autoren: Frank Demant
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vergessen, mir Geld einzustekken.“
    „Ohne Moos nix los.“
    Ja, das war Herrn Schweitzer bekannt. So was gab’s noch nicht mal im Sozialismus. Zerstreut stellte er die Dose zurück.
    Eine Visitenkarte mit einem Datum war also eines der Risiken und Nebenwirkungen von Alkohol. Das stand aber gar nicht auf dem Etikett, und ein Arzt oder Apotheker hätte mit Sicherheit auch nicht darauf hingewiesen, hätte vielleicht von Leberzirrhose gebrabbelt oder von Ausfallerscheinungen, dachte Herr Schweitzer, während er grübelnd den Heimweg zurücklegte. Auf die Visitenkarte konnte er sich so überhaupt keinen Reim machen. Und das mit dem Date – dergleichen war ihm noch nie passiert. Okay, ganz früher war er in diese Andrea Hampel mal verknallt gewesen, weswegen er nun darüber nachsann, ob er, Herr Schweitzer, ihr diese frühe Liebe auf dem Fest gestanden haben könnte. Und Andrea Hampel hatte in sexueller Hinsicht vielleicht gerade nichts Besseres zu tun, und mit ihm Ort und Zeit für ein Techtelmechtel initiiert. Dabei war Herr Schweitzer stets treu gewesen. Und selbst wenn es anders gewesen wäre, so war vierzehn Uhr für Sex doch eher etwas ungewöhnlich und die Dreikönigskirche auch der falsche Ort. Es sei denn, seine Klassenkameradin stand auf kleine Perversitäten, das soll ja im Alter vorkommen. Manche Leute treiben es ja auch im Aufzug oder in Umkleidekabinen vielbesuchter Kaufhäuser. Obwohl sich Herr Schweitzer sagte, es habe ja doch keinen Wert, darüber nachzudenken, die einzige Möglichkeit, das herauszubekommen, setzte einen Anruf bei Andrea Hampel voraus, mußte er sich fortwährend mit diesem Thema beschäftigen. Aber wie hätte er ein solches Gespräch beginnen sollen? Du, Andrea, das mit der Dreikönigskirche ist ja ganz toll, aber hast du vielleicht auch mal daran gedacht, daß der Herr Pfarrer zufällig vorbeikommen könnte, während wir es hinter dem Altar so ganz leidenschaftlich miteinander – na, du weißt schon. Und was, wenn Andrea ihm einfach nur die spezielle Architektur der Kirche erläutern wollte? Dann stünde er mit dieser Eröffnung ja ganz schön bescheuert da. Bestimmt würde sie in ihm dann einen Lustmolch sehen.
    Herr Schweitzer stieg die Stufen zu seiner Wohnung hoch. Den Brief von den Elektrizitätswerken auf der Anrichte im Flur, der dort seit gestern ungeöffnet lag, ignorierte er. Die wollen sowieso wieder mal nur mein Geld. Am Küchentisch betrachtete er die Visitenkarte von beiden Seiten. Nein, etwas, was ihn weiterbringen könnte, hatte er nicht überlesen. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte, er mußte Andrea anrufen. Er hatte den Hörer bereits in der Hand, und auch das Freizeichen erklang schon, als er den Hörer wieder auf die Gabel legte. So ging das nicht. Eine Struktur mußte her. Als erstes beschloß Herr Schweitzer, die nächsten Tage enthaltsamer zu leben als der Philosoph Zenon. Dann öffnete er den Kühlschrank, wo Lauras Abendessen auf ihn wartete. Zwar hatte er noch immer keinen Hunger, aber ein paar Vitamine und andere Nährstoffe würden seinen Regenerationsprozeß mit Sicherheit vorantreiben.
    Das butterbestrichene Brettchen war nun mit Tomatenscheiben belegt, doch so richtig verstand er den blöden Scherz erst, als er das Brettchen auf den Tisch stellte. Hahaha, dachte er mißlaunig, da macht man einmal einen Fehler, und schon wird er einem das ganze Leben nachgetragen. Was sollte das erst werden, wenn er seine Freundin Maria wiedersah, oder noch schlimmer, wenn er demnächst in seiner Stammkneipe aufkreuzte? Maria hatte es mit Sicherheit schon ihrer Freundin Karin erzählt, diese wiederum ihrem Freund Weizenwetter, und dieser Blödian war dann mit dieser Geschichte ins Weinfaß gezogen, wo sich nun alle Welt über Herrn Schweitzer totlachte. Das kommt davon, dachte er, wenn man einmal ein klein wenig über die Stränge schlägt. Doch was passiert ist, ist passiert, daran konnte er nun auch nichts mehr ändern. Er würde sich der Situation stellen müssen, doch er befand es für strategisch sinnvoller, bis dahin noch ein paar Tage vergehen zu lassen. Widerwillig nahm er die Tomatenscheiben vom Brettchen und aß sie.
    Dann begab er sich in sein Bett. Auf einen Joint hatte er keine Lust. Auf nichts hatte Herr Schweitzer mehr Lust. Um seinen Gedanken etwas Abwechslung zu verschaffen, legte er eine Sibeliussinfonie in seinen CD-Player und stellte sich eine grüne Wiese vor, darauf ein paar Kühe, einen kleinen Buchenhain am Rande, hintenraus
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