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Die Legende vom Weltenverschlinger 1 - Angriff auf Maremora

Die Legende vom Weltenverschlinger 1 - Angriff auf Maremora

Titel: Die Legende vom Weltenverschlinger 1 - Angriff auf Maremora
Autoren: Michael J. Hallowfield
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sein Freund mittlerweile angesichts des Todes, des Grauens und des Mordens nicht abgestumpft war, sondern sich seinen Charakter erhalten hatte. Gewiss stand er unter dem Schutz Hyoryns. Eine alte Zeichnung, die ihm seine Mutter als Kind gezeigt hatte, blitzte kurz vor seinem geistigen Auge auf. Ein kahlköpfiger, knochiger Mann, der auf dem Boden kauerte. Dies verwunderte nicht, denn er hatte seine Beine von den Knien abwärts verloren. In Lumpen gehüllt, lagen seine Arme in seinem Schoß. Die Hände fehlten, sodass die Arme in abgerundeten Stümpfen endeten. Ein Blick in seine Augen machte es nicht besser, denn sie waren blind und statt Ohren fand man an seinem Kopf nur zwei kleine, vernarbte Öffnungen. Haemvil, der als Kind bereits Stärke bewunderte und seinem Vater nacheiferte, der die Harabroia, die Reitertruppen Maremoras, anführte, hatte den Kopf geschüttelt. Wie könne eine solche Gestalt der Schwäche, ein Versehrter, nur ein Gott sein, hatte er seine Mutter entrüstet und voll kindlichen Unverständnisses gefragt. Diese hatte verständnisvoll gelächelt und noch heute fühlte er dieses Lächeln voller Wärme und Liebe als Widerschein in seiner Seele.
    »Hyoryn hat seine Stärke geopfert. Er hat seine Beine, Hände, Augen und Ohren Nergal überreicht, welcher sie verschlang. Doch damit hat er die Macht erlangt, seine verlorene Stärke allen zu geben, die ihm etwas opfern und die an ihn glauben und ihn anrufen. Denn so hat Hyoryn vor seiner Selbstopferung ausgesehen.« Mit diesen Worten zeigte sie ihm die Rückseite der Zeichnung, wo ein gewaltiger Krieger mit zwei Schwertern und blitzenden Augen im rasanten Angriffssprung abgebildet war. Daher werden in Maremora die Versehrten in Ehren gehalten und Haemvil erkannte, dass es bedeutender und wichtiger war, das Schwert und die Stärke in der Seele zu führen und dass die körperliche Stärke, ein Schwert zu beherrschen der geistigen nachrangig war.
    Ja, er glaubte an diese Legende und er war überzeugt, dass der gute Kaidwar unter dem Schutz Hyoryns stand und so lächelte er schließlich und vergalt seinem Freund seine Anteilnahme, indem er seinen eigenen Groll überwand.
    »Ja, das verstehe ich, mein Freund«, sagte er mit fester Stimme und erkannte, wie Kaidwar sich erleichtert entspannte.
    Kaidwar winkte einigen Knappen und gab ihnen Anweisungen, die Leiche mitzunehmen.
    »Lass uns sehen, ob wir noch weitere Fremdlinge mit diesem Mal finden«, sagte Haemvil grimmig.
    »Dir scheint es mittlerweile also zu gefallen, von untoten Fremden angegriffen zu werden«, antwortete Kaidwar und grinste. Haemvils Mundwinkel zuckten in der Andeutung eines Lachens. Der Mann hatte wirklich einen seltsamen Sinn für Humor, denn der Schock über den unheimlichen Vorfall steckte ihm nach wie vor deutlich in den Knochen.
    Sie setzten ihre Runde über das Schlachtfeld fort und untersuchten zahllose Leichname, wenngleich mit weit größerer Vorsicht als zuvor. Tatsächlich fanden sie noch fünf weitere Fremdlinge, die das Zeichen des schreienden Mannes auf der Brust trugen. Haemvil beschloss kein Risiko einzugehen und köpfte die Leichen, bevor diese sich entschlossen, ebenfalls lebendig zu werden. Die eine Begegnung hatte ihm sehr zugesetzt, auch wenn er die Ängste und den Schock größtenteils verdrängt und sorgfältig in einer geistigen Truhe verstaut hatte, die er erst wieder öffnen wollte, wenn er dafür bereit war.
     
    Die Ankunft in Camlan, wo sie vor zwei Tagen aufgebrochen waren, um die Fremdlinge zu stellen, war wie jede Rückkehr nach einer erfolgten Schlacht. Menschenmassen säumten die breite Dorfstraße aus gestampfter Erde und verdeckten die Eingänge zu den Häusern mit Reetdach, in denen sich Geschäfte verbargen. Besorgte Frauen und Kinder stürmten auf den schier endlosen Zug zu und riefen Namen.
    »Floryn! Wo ist Floryn?«
    »Ymdal, mein Sohn, gib mir ein Zeichen, wo bist du?«
    »Papa? Wo ist Papa?«
    Haemvil sperrte seine Gefühle aus. Er hörte erleichterte und freudige Rufe, wenn sich eine Familie wiedergefunden hatte, doch er vernahm deutlicher die weitaus lauteren, gequälten Schreie, wenn sich Frauen und Kinder den von Kriegern geschulterten Bahren mit ihren Gefallenen näherten und sich Gewissheit und endloser Schmerz in einer furchtbaren Erkenntnis vereinten. Die zweifellos verdienten Hoch-und Jubelrufe der Massen über ihren schwer erkämpften Sieg fühlten sich unpassend und falsch an.
    Er blickte um sich, um seine Familie in den die Straße
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