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Die Legende der Wächter 4: Die Belagerung

Die Legende der Wächter 4: Die Belagerung

Titel: Die Legende der Wächter 4: Die Belagerung
Autoren: Kathryn Lasky
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für die Verstorbene neben der jungen Fleckenkäuzin standen, hatte Soren nicht den Eindruck, dass es Otulissa besser ging. Dass sie so ungerührt schien, beunruhigte ihn eher noch mehr. Man hätte sie mit einer Steinfigur verwechseln können.
    Wamme hatte ein Stück weiter weg auf der Galerie Platz genommen und schluchzte hemmungslos. „Wie furchtbar! Das hätte ich nie gedacht!“, stieß sie immer wieder hervor. Daraufhin erwachte Otulissa aus ihrer Erstarrung, wandte den Kopf und zischelte zornig: „Nein, das hättest du wohl nicht gedacht!“
    Barran flog auf den Hochsitz. „Wir nehmen heute Abschied von einer tapferen Fleckenkäuzin. Strix Struma war ihr Name. Sie und ich gehörten zwar nicht derselben Art an, aber wir waren Schwestern im Geiste. Uns vereinte die Liebe zur Freiheit und die Freude an den Sternen, die unermüdlich jahrein, jahraus über uns ihre Bahnen ziehen. Wie an so viele hier hat Strix Struma auch an mich im Navigationsunterricht ihr Wissen über die ‚Augen von Glaumora‘ weitergegeben, wie wir die Sterne manchmal zu nennen pflegen. Dieser abscheuliche Krieg war Strix Strumas Tod. Doch sie ist nicht vor ihrer Zeit gestorben, denn sie hatte ein langes, reiches Leben.“ Barran erzählte noch eine Weile voller Zuneigung von ihrer langjährigen Freundschaft mit der alten Fleckenkäuzin, dann war Ezylryb an der Reihe.
    „Ihre Majestät Barran hat den abscheulichen Krieg erwähnt, in dem unsere teure Strix Struma gefallen ist. Sie starb mit ausgeklappten Kampfkrallen. Barran hat Strix Struma ihre Schwester genannt. Das hat mich sehr gefreut, denn es widerlegt den bösartigen Irrglauben, dass bestimmte Eulenarten ‚reiner‘ und damit besser seien als andere. Wenn künftig einer von uns das Wort ‚rein‘ in den Schnabel nimmt, wird er unweigerlich an das Blutvergießen denken, das dieses Wort verursacht hat.
    Wir Wächter von Ga’Hoole wissen, dass alle Eulenarten Brüder und Schwestern sind. Ich möchte das Wort ‚rein‘ hier in einer anderen Bedeutung verwenden, indem ich behaupte, dass unsere liebe Freundin, die tapfere Kriegerin Strix Struma, reinen Herzens war und sich im Kampf für unsere Überzeugung geopfert hat.
    Eine von uns musste letzte Nacht ihr Leben lassen, doch heute Nacht erscheint ein neues Sternbild am Himmel. Fliegt aus, meine Freunde, und begegnet Strix Struma in den Sternen wieder, die sie so sehr liebte.“
    Es war eine kalte, klare Nacht. Soren musste an seinen ersten Navigationsunterricht bei Strix Struma denken, als sie das Sternbild der Goldenen Krallen abgeflogen waren. Otulissa hielt sich abseits der anderen Eulen. Ruby wollte ihr nachfliegen, denn sie hatte sich bei den Kauzkämpfern mit ihr angefreundet, aber Soren flog zu Ruby hin, tippte sie mit der Flügelspitze an und sagte: „Lass sie einfach!“
    „He, Kumpels!“ Das war Bubo. „Auf der Stummelkrallen-Spitze soll der Wald brennen. Ezylryb meint, wir sollen mal nachschauen. Morgengrau, Digger und so weite r – wollt ihr mich und meine Glutsammler nicht begleiten? Da könnt ihr noch was lernen!“ Der Uhu zwinkerte Morgengrau zu.
    Auf halber Strecke zur Stummelkrallen-Spitze entdeckten sie über sich eine junge Fleckenkäuzin.
    „Das ist ja Otulissa!“, rief Eglantine aus.
    „Nanu, ich dachte, sie kommt nicht mit?“ Soren legte verwundert den Kopf in den Nacken. Da erblickte er ein Sternbild, das er noch nie gesehen hatte. Es bestand aus unzähligen kleinen Einzelsternen, die zwei spiegelbildlich angeordnete Spiralen bildeten. Die dicht gesäten Lichtpunkte erinnerten an das getüpfelte Kopfgefieder von Fleckenkäuzen.
    „Was ist das?“, wandte sich Soren an Bubo.
    „Ihr wart wohl noch nie so weit nordöstlich unterwegs. Hier gibt es andere Sternbilder, als ihr sie kennt.“
    „Und wie heißt dieses hier?“
    „Ä h … hab ich vergessen. Ich glaube, es wurde nach einer der Schneeblumen benannt, die am Rand der Gletscher wachsen. Aber ich habe noch nie erlebt, dass die Sterne darin so zahlreich waren.“
    Stimmt, es erinnert ein bisschen an eine Blume, dachte Soren. Aber ab heute könnte es auch anders heißen. Er sah zu, wie Otulissa mit der Flügelspitze das Haupt der sterngesprenkelten Fleckenkäuzin nachzog.
    Der Morgen dämmerte und rosiges Licht drang in die Schlafhöhle. Soren rutschte unruhig auf seinem Lager herum. Er hatte die grässlichsten Albträume gehabt. In einem davon hatte ihn das mondgesichtige Eulenweibchen geblendet. Es hatte sich wie Mondwirrnis angefühlt.
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