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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
Autoren: Mark Charan Newton
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davon, um seinen Mantel zu holen und sich hinaus in die Kälte zu begeben.
    Die Nacht war eisig. Malum trug inzwischen eine weiße Maske und hielt sich ganz in der Nähe der Rue Nár auf. Das war unangenehm nah an seiner Wohnung, doch er musste diese Angelegenheit hinter sich bringen. Hundert Laternen und gelegentliches Meeresleuchten bewegten sich durch die Straßen der Stadt wie nächtliche Sterne am Himmel. Noch immer waren Fiaker unterwegs und brachten Nachtschwärmer zu verbotenen Adressen. Zwei blonde Mädchen in Umhängen kamen lachend und mit Flaschen anstoßend auf klackenden Absätzen vorbei, wie es in dieser Gegend Villirens gang und gäbe war. Eine hochschwangere Rothaarige kam angeschlurft, stolperte und ließ ihre Tasche aufs Pflaster fallen. Offenbar hatte sie sich keinen ihrem Bauchumfang gemäßen Mantel leisten können, und ihr praller Leib ließ das Gewebe spannen. Ob das Ungeborene davon etwas mitbekam? Ob es ahnte, in welche Trostlosigkeit es geboren wurde?
    Meine Tarnung wird schon nicht auffliegen, dachte Malum und half der Schwangeren, das auf der Straße verstreute Fleisch einzusammeln. Erst hatte sie womöglich gedacht, er wolle sie ausrauben, doch dann nahm sie ihre Einkäufe mit einem gemurmelten Danke entgegen. Als sie sich kurz in die Augen sahen, witterte Malum den Geruch ihres … Blutes .
    Seit Langem hatte er sich nicht mehr so gefühlt, weil er sein Begehren normalerweise beherrschen konnte. Sofort wandte er sich ab, und die Schwangere setzte ihren Weg fort.
    Er musste zurück in die Zone gelangen, in die mentale Verfassung also, in der er sich zu bewegen hatte, um das zu erledigen, was er beabsichtigte.
    Malum befand sich auf einem von Dutzenden öffentlichen Plätzen Villirens, allerdings in einem der wenigen Bezirke, die nicht mit monotoner Unaufhörlichkeit ständig umgestaltet wurden. Erstaunlich, wie rasch sich anderswo alles verändert hat, dachte er – wie Holzhäuser unausweichlich Steinbauten gewichen sind. Das Geld der Bergwerksindustrie hatte die Schmiede der Stadt zu Reichtum kommen lassen und eine so rasante Bautätigkeit ausgelöst, dass man den Neubauten buchstäblich beim Wachsen zusehen konnte.
    Überprüf deine Messer, sagte er sich. Eins steckte im Stiefel, eins im Ärmel – zwei glatte Schneiden, wie er sie brauchte, um diesen Auftrag zu erfüllen. Mit vor den Mund geschlungenem Schal und dickem Mantel, der den feinen Schneeregen abhielt, mit in die Stirn gezogenem Dreispitz und weißer Halbmaske stand er pochenden Herzens da und spürte seine Beklemmung.
    Doch weiter voran! Ein paar Händler waren noch auf den Straßen und boten Gebratenes, warme Kleidung sowie Krüge, Töpfe und Teller an. Er bemerkte einen Jungen, dem er – wie er glaubte – ein geraubtes Relikt verkauft hatte, und staunte, dass der Kleine noch lebte. Dass ein paar Jugendliche auf den Straßen herumlungerten, war in dieser Gegend unausweichlich. Obwohl hier jede Menge Ablenkungen geboten wurden und es bei Tage Hunderte Verkaufsstände gab, vermochten sie sich trotz des reich gemischten Publikums und der nächtlichen Vergnügungen für nichts längere Zeit zu interessieren. Nein, offenbar wollten sie einfach abhängen.
    Ein beleuchtetes Rechteck zeigte ihm die Tür, zu der er unterwegs war. Drin war der stehende Umriss eines massigen Mannes in dickem Mantel zu sehen. Kaum blickten sie einander in die Augen, erkannten sie sich, wussten aber, dass sie sich dies nicht anmerken lassen durften. Malum steckte ihm ein paar Silberlordil zu und ging hinein und treppab in eine relative Wärme, wo Moschusgerüche das plötzliche Gefühl der Beengung noch verstärkten. Die Aufträge wurden nicht leichter, doch ihm war sofort klar gewesen, dass er den hier persönlich übernehmen musste.
    Tindar Lesalt führte ein paar Bordelle in den wenigen eleganteren Gegenden Villirens. Auch ein paar betrügerische Spielhallen gehörten ihm, doch die kümmerten Malum nicht weiter. Wenn man es am Türsteher vorbeischaffte, konnte man Tindar jede zweite Nacht im Keller eines Bordells treffen. Dort arbeiteten Frauen, die von den Stämmen ringsum gekauft worden waren, und das empörte Malum erheblich mehr. Diese Frauen waren aus ihren Dörfern geraubt und gezwungen worden, die Beine für Geschäftsleute und Bandenmitglieder breitzumachen, die importierten Wodka tranken, vögelten, was an Frauen da war, über dieses Vögeln redeten und die guten, alten Zeiten feierten.
    Malum war gewiss keiner dieser Kunden. Sie passten
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