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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition)
Autoren: Ruth Dugdall
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einem späteren Zeitpunkt zugeben, wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden.«
    »Ich bin frühmorgens noch einmal dort gewesen. Gegen drei Uhr.«
    Der Unterkiefer von Sergeant West entspannt sich. Mit dieser Aussage hat er offenbar nicht gerechnet. Auf seinen Lippen deutet sich ein Lächeln an.
    Mr Hogg verlagert sein Gewicht. »Ich möchte die Vernehmung kurz unterbrechen und mit Rose unter vier Augen sprechen.«
    Sergeant West wirft ihm einen abfälligen Blick zu. Mit dem einvernehmlichen Geplauder von vorhin ist es anscheinend vorbei. Aber ich will mit Mr Hogg nicht unter vier Augen sprechen. Ich möchte die Wahrheit sagen und konzentriere mich voll und ganz auf das Gerät, das meine Worte einfängt. Sie sollen für alle Zeiten in diesem Plastikgehäuse gefangen sein.
    »Ich bin gegen drei Uhr heute Morgen ins Haus zurückgekehrt, um Luke noch einmal zu sehen.«
    »Rose«, unterbricht Mr Hogg mich. »Ich halte das wirklich nicht für …«
    Sergeant West geht über seinen Einwurf hinweg. »Wie sind Sie ins Haus gelangt?«
    Ich spüre das warme Stück Metall an meiner Halskette. Mein kostbarer Schlüssel.
    »Die Hintertür war unverschlossen. Mit solchen Dingen nimmt Emma es nicht so genau.«
    »Waren Sie in Lukes Zimmer?«
    »Ja.«
    »Haben Sie sich dort eine Zigarette angesteckt?«
    »Nein! In der Nähe des Jungen rauche ich nie.«
    »Haben Sie beim Verlassen des Hauses eine Zigarette fallen lassen? Die dann den Brand ausgelöst hat?«
    »Nein!«
    »Ich frage Sie noch einmal: Haben Sie sich im Haus der Familie Hatcher eine Zigarette angezündet?«
    »Nein, das habe ich nicht getan.«
    »Der Brand wurde durch eine Zigarette verursacht, und Sie geben zu, in den frühen Morgenstunden im Haus gewesen zu sein.«
    »Emma raucht. Es wird ihre Zigarette gewesen sein. Sie war wach, als ich gegangen bin. Sie hatte Sex mit ihrem Ehemann.«
    Sergeant West betrachtet mich mit einem Ausdruck unverhohlener Verachtung. »Mrs Hatcher war vergangene Nacht allein. Ihr Ehemann hat woanders übernachtet. Sie war allein und hat geschlafen, und Sie waren in ihrem Haus, bei ihrem Sohn, der kurz darauf aufgrund eines Brandes umgekommen ist. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
    Ich schließe die Augen. Heiße Tränen brennen unter meinen Lidern.
    »Rose Wilks, haben Sie im Zimmer von Luke Hatcher einen Brand verursacht?« Sergeant West spricht jedes Wort ganz langsam aus und betont die einzelnen Silben.
    Mr Hogg rutscht nervös auf seinem Stuhl herum.
    Ich sammele all meine Kraft, beuge mich vor und flüstere in das Aufnahmegerät, als gälten meine Worte nur ihm. Mein Mund berührt das Plastikgehäuse: »Nein.« Doch dann kann ich mich nicht mehr zurückhalten, denn ich bin müde, und Luke ist tot, und das ertrage ich nicht. »Nein«, flüstere ich. »Nein, nein, nein, nein!«

3.
     
     
     
    Es ist Montag. Die letzte Nacht habe ich in einer Zelle auf dem Polizeirevier verbracht. Heute Morgen hat der Richter gegen meine Freilassung auf Kaution entschieden, deshalb muss ich jetzt erst mal in Untersuchungshaft. Ein Wachmann führt mich in einen weißen Van. Er legt mir in einem winzigen Abteil Handschellen an und kettet mich an der Wand fest. Vor einigen Jahren haben Demonstranten den Hafen von Felixstowe blockiert und gegen die Art und Weise protestiert, wie Schlachtvieh transportiert wird. Gegen den Transport von Gefangenen protestiert niemand.
    Mir ist übel. Wenn ich nicht selbst Auto fahre, wird mir häufig schlecht, und jetzt sitze ich mit dem Rücken zum Fenster und starre auf eine Wand. Hinausschauen kann ich nur, wenn ich den Kopf drehe. Irgendjemand sitzt in dem Abteil nebenan, aber ich erkenne nur die Spitze eines Kopfes, brünettes Haar, dicht und gewellt. Wohin wir fahren, hat mir niemand gesagt.
    Die Fahrt dauert ewig, und meine Übelkeit will nicht nachlassen. Es gibt weder etwas zu trinken, noch wird irgendwo angehalten, damit wir die Toilette benutzen können. Ich bin völlig erschöpft, denn seit zwei Tagen habe ich nicht mehr geschlafen. Ich will zu Luke, sehne mich schmerzlich nach ihm.
    Nach einer Stunde wird der Van langsamer. Vor uns öffnen sich Tore, durch die wir hindurchfahren. Als wir anhalten, höre ich Frauenstimmen. Ihr Akzent klingt nach Essex. Der Gefangene neben mir darf aussteigen. Dann wird die Tür wieder zugeknallt, und wir fahren weiter.
    Der Wachmann hinten im Van schläft. Ich höre, wie er schnarcht und das Brummen des Motors. Draußen ziehen Tankstellen und Autobahnraststätten vorüber. Ich
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