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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition)
Autoren: Ruth Dugdall
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bin so müde, dass ich einnicke. Als ich wach werde, steht der Van, und der Wachmann öffnet die Tür.
    Eine Stimme ruft: »Nur eine?« Dann zerrt mich eine stämmige Beamtin ins Freie. Sie hat ein Klemmbrett in der Hand, wie eine Reiseleiterin, aber sie lächelt nicht. »Wilks?«
    »Ja.«
    Die Frau macht einen Haken auf der Liste an ihrem Klemmbrett und löst meine Fesseln. Meine Handgelenke sind aufgeschürft. Ich betaste die geröteten Stellen. Von irgendwoher weht der ranzige Geruch verfaulenden Abfalls herüber.
    »Willkommen in Holloway«, sagt sie.
    Ich werde zu krankenhausgrünen Trennwänden dirigiert, hinter denen bereits eine Frau in Unterwäsche steht. Eine Beamtin inspiziert gerade ihre Haare. Die Frau legt ihre Armbanduhr und ihren Schmuck in eine Plastikschale. Ich denke an meinen Schlüssel und weiß, dass ich mich von ihm nicht trennen kann. Er ist das Einzige, was mir geblieben ist, jetzt, da Luke tot ist. Das Einzige, was mich mit ihm verbindet.
    »Könnte ich bitte kurz auf die Toilette gehen?«
    »Da entlang. Aber lassen Sie die Tür offen.«
    Die Beamtin bleibt im Flur vor der Toilette stehen und redet mit jemandem. Rasch löse ich den Schlüssel von meiner Kette, lasse die Jeans herunter und hocke mich auf die Toilette.
    Ich darf nicht aufgeben. Das würde Luke nicht wollen. Die Beamtin verstummt und kommt auf mich zu. Ich schiebe den Schlüssel in meine Vagina und winde mich vor Schmerz, ehe er sitzt. Dann ziehe ich die Jeans wieder hoch. Die Beamtin steht jetzt direkt vor mir.
    »Bisschen schneller, Wilks. Ich hab auch noch was anderes zu tun.«
    Ich folge ihr zurück zu den grünen Trennwänden.
    »Ziehen Sie sich aus, und legen Sie die Kleidungsstücke auf den Stuhl. Schmuck in die Schale.«
    Ich streife mein T-Shirt ab, knöpfe die Jeans auf und ziehe sie aus. Fröstelnd lege ich Ohrringe und Armbanduhr ab.
    »Auch die Unterwäsche«, sagt sie. »Na los, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Ich hake den Büstenhalter auf und lege ihn ebenfalls ab. Meine Brüste sind groß, die Milch lässt sie anschwellen, und die Venen treten hervor. Der Blick der Beamtin bleibt daran haften. Ich beuge mich vor, ziehe die Unterhose aus und falte sie in der Mitte zusammen. Seit zwei Tagen habe ich weder die Unterwäsche gewechselt noch geduscht. Ich fühle mich schmutzig.
    Sie schnappt sich meine Unterhose, schüttelt sie auf und fährt mit einem Finger an den Säumen entlang. Dann nimmt sie meinen Büstenhalter und betastet die Körbchen, ehe sie den Rest meiner Kleidung inspiziert. Dann zieht sie sich Handschuhe über, greift mir fest in die Haare, zerrt daran und begutachtet sie. Ich bin größer als sie, weshalb ich mich vorbeugen muss, bis mein Rücken anfängt zu schmerzen.
    »Ich habe keine Läuse.«
    »Nach denen suche ich auch nicht.«
    »Mund auf.« Mit einem Finger fährt sie mir kreisförmig durch den Mund. Ich muss würgen wegen des Gummis.
    »Betrachten Sie sich als selbstmordgefährdet?«
    »Nein.«
    Sie mustert mich von Kopf bis Fuß. Ich drücke die Schenkel zusammen und hoffe, dass die Qual bald vorüber ist. Dass sie keine weiteren Körperöffnungen untersucht. Sie wirft einen Blick auf die Uhr an der Wand.
    »Okay, ziehen Sie sich wieder an. Zeit, Sie einzuschließen.«
     
    —
     
    Ich folge der Beamtin durch mehrere Türen und Flure. Eine Zellentür steht offen und gibt den Blick auf zwei Metallpritschen und ein Waschbecken frei. Ich erkenne eine silbrige Toilette, die nur halb von einer schmalen Trennwand abgeschirmt wird. Auf einer der Pritschen liegt eine Frau, die mit Wachsmalstiften zeichnet. Ihr Lächeln ist breit, der Blick benommen oder schläfrig.
    Die Beamtin wirft ein dünnes Handtuch und ein Laken auf das freie Lager. »Ich hole Ihnen was zu essen, aber mehr als Reste gibt’s jetzt nicht mehr.« Sie knallt die Tür hinter sich zu und schließt mich ein.
    Ich stehe mitten in der kleinen Zelle. Meine Hände zittern. Die andere Frau starrt mich an. Sie hat mausbraunes Haar und graue Augen. Auf ihrem Schoß liegt das Bild, das sie gemalt hat: ein Strichmännchen und ein Haus.
    »Hallo«, sagt sie. »Hast du Lust auf was Süßes?« Sie öffnet die Hand und zeigt mir eine zerdrückte Rolle Schokodrops.
    »Nein, danke.«
    Ich setze mich auf mein Lager und kratze an der rauen Wolle der Decke.
    »Geht’s dir nicht gut?«
    »Nein.«
    »Du gewöhnst dich schon noch daran.« Sie lutscht die Schokolade von ihren Fingern ab. »Seit ich fünfzehn war, bin ich mal drinnen und mal
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