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Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche

Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche

Titel: Die Lebensbeschreibung der Erzbetruegerin und Landstoerzerin Courasche
Autoren: Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
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hätte, beklagte auch seinen frühezeitigen Abgang und lamentirte damit zugleich über mein Unglück, daß es mich in einer solchen zarten Jugend so bald zu einer Wittib gemacht, mit Anerbieten, da ich in irgend was seiner Hülfe bedürftig wäre, etc. Mit solchen und dergleichen Aufzügen suchte der junge Herr sein erste Kundschaft mit mir zu machen, die er auch bekam; und ob ich zwar greifen konnte, daß er im Reden irrete, denn mein Rittmeister hatte ja das geringste nicht studiert, so ließ ich mir doch seine Weise wohlgefallen, weil seine Meinung dahin ging, des abgegangnen Rittmeisters Stell bei mir zu ersetzen. Doch stellte ich mich gar fremd und kaltsinnig, gab kurzen Bescheid und zwang ein zierliches Weinen daher, bedankte mich seines Mitleidens und der anerbotenen Gnad mit so beschaffnen Complimenten, die genugsam waren, ihm anzudeuten, daß sich seine Liebe für diesmal mit einem guten Anfang genügen lassen, er selbst aber wiederum einen ehrlichen Abschied von mir nehmen solle.
    Den andern Tag schickte er seinen Laquaien, zu vernehmen, ob er mir kein Ungelegenheit mache, wann er käme mich zu besuchen. Ich ließ ihm wider sagen, er mache mir zwar keine Ungelegenheit und ich möchte seine Gegenwart auch wohl leiden, allein weil es wunderliche Leute in der Welt gebe, denen alles verdächtig vorkäme, so bäte ich, er wolle meiner verschonen und mich in kein bös Geschrei bringen. Diese unhöfliche Antwort machte den Grafen nicht allein nicht zornig, sondern viel verliebter; er passierte maulhenkolisch bei dem Hause vorüber, der Hoffnung, aufs wenigst nur seine Augen zu weiden, wann er mich am Fenster sehe, aber vergeblich; ich wollte meine Waar recht teur an Mann bringen und ließ mich nicht sehen. Indessen nun dieser vor Liebe halber verging, legte ich meine Trauer ab und prangte in meinem andern Kleid, darin ich mich dorfte sehen lassen. Da unterließ ich nichts, das mich ziern möchte, und zog damit die Augen und Herzen vieler großen Leut an mich, welches aber nur geschah, wann ich zur Kirchen ging, weil ich sonst nirgends hin kam. Ich hatte täglich viel Grüße und Botschaften von diesen und von jenen anzuhören, die alle in des Grafen Spital krank lagen; aber ich bestund so unbeweglich wie ein Felsen, bis ganz Wien nicht allein von dem Lob meiner unvergleichlichen Schönheit, sondern auch von dem Ruhm meiner Keuschheit und anderer seltenen Tugenden erfüllt ward.
    Da ich nun meine Sach so weit gebracht, daß man mich schier vor eine halbe Heiliginne hielt, dunkte mich Zeit sein, meinen bisher bezwungenen Begierden den Zaum einmal schießen zu lassen und die Leute in ihrer guten von mir gefaßten Meinung zu betrügen. Der Graf war der erste, dem ich Gunst bezeugte und widerfahren ließ, weil er solche zu erlangen weder Mühe noch Unkosten sparete. Er war zwar liebenswert und liebte mich auch von Herzen, und ich hielt ihn für den Besten unterm ganzen Haufen, mir meine Begierden zu sättigen; aber dennoch wäre er nicht darzu kommen, wann er mir nicht gleich nach abgelegter Traur ein Stück columbinen Atlas mit aller Ausstaffierung zu einem neuen Kleid geschickt und vor allen Dingen 100 Ducaten in meine Haushaltung verehrt hätte, um daß ich mich über meines Manns Verlust desto besser trösten solle.
    Der ander nach ihm war eines großen Potentaten Ambassador, welcher mir die erste Nacht 60 Pistolen zu verdienen gab. Nach diesen kamen auch andere, und zwar keine, die nicht tapfer spendieren konnten, dann was arm war oder wenigst nicht gar reich und hoch, das mochte entweder draußen bleiben oder sich mit meiner Wirtin Töchtern behelfen. Und solchergestalt richtete ichs dahin, daß meine Mühle gleichsam nie leer stund; ich malzerte auch so meisterlich, daß ich inner Monatsfrist über 1000 Ducaten in specie zusammen brachte, ohne dasjenige, was mir an Kleinodien Ringen Ketten Armbändern Sammet Seiden und Leinengezeug (mit Strümpfen und Handschuhen dorfte wohl keiner aufziehen), auch an Victualien Wein und anderen Sachen verehrt wurde. Und also gedachte ich mir meine Jugend fürderhin zu Nutz zu machen, weil ich wußte, daß es heißt:
Ein jeder Tag bricht dir was ab
Von deiner Schönheit bis ins Grab.
    Und es müßte mich noch auf diese Stund reuen, wenn ich weniger getän hätte. Endlich machte ichs so grob, daß die Leute anfingen mit Fingern auf mich zu zeigen, und ich mir wohl einbilden konnte, die Sach würde so in die Länge kein gut tun; denn ich schlug zuletzt dem Geringen auch keine
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