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Die Lazarus-Formel

Die Lazarus-Formel

Titel: Die Lazarus-Formel
Autoren: Ivo Pala
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Müdigkeit an, die sich auf meine Augen und meine Glieder senkte, doch vergebens. Als ich wieder zu Bewusstsein kam, lag ich gefesselt und geknebelt in seinem Kerker.
    Statt meine Fragen zu beantworten, stellte EnKi jetzt mir welche: Wie ich überlebt haben konnte, wollte er wissen, wo er Set doch dabei geholfen hatte, mich zu jagen, zu töten und zu zerstückeln. Natürlich konnte ich seine Fragen nicht beantworten, doch er dachte, ich wollte sie nicht beantworten. Also begann er, mich zu foltern. Wochenlang.
    Als ihm auch das keine Antworten brachte, entschied er, Set und seine anderen Brüder und Schwestern aus den umliegenden Ländern zusammenzurufen. Gemeinsam würden sie einen Weg finden, mich erneut zu vernichten, und diesmal für immer.
    Mir war klar geworden, dass mich diese Götter, auch wenn sie so waren wie ich, nicht wie erhofft in ihrer Mitte dulden würden als einen der ihren, sondern meinen Tod wollten, auch wenn ich nicht wusste und mir auch nicht vorstellen konnte warum. Ich musste mit allen Mitteln verhindern, dass EnKi sie versammelte. Also nutzte ich die erstbeste Gelegenheit, die sich mir bot, zur Flucht aus dem Palastkerker, suchte EnKi in seinem Schlafgemach auf, überwältigte und fesselte ihn und floh mit ihm nach Nordosten in die Höhlen der Berge von Shanidar.
    Nach einiger Überzeugungsarbeit, die er selbst mich in seinem Kerker gelehrt hatte, erzählte er mir schließlich die ganze Geschichte von A-Ser und Set und den anderen Aesirianern – und auch, dass die Aesirianer, offenbar anders als A-Ser, sterben, wenn man ihnen die Köpfe abschlägt oder sie verbrennt. Aber das erklärte immer noch nicht, wer ich war. Doch darauf wusste auch er keine Antwort.
    Ich machte mich also wieder auf den Weg. Dieses Mal aber war ich sehr viel vorsichtiger. Ich verkleidete mich und blieb, wenn immer es ging, im Verborgenen, war mir doch klar, dass mich auch die anderen Aesirianer für A-Ser halten würden und meinen Tod wollten.«
    »Was geschah mit EnKi?«, stellte Margaret eine Zwischenfrage.
    »Niemand hat ihn meines Wissens nach je wiedergesehen«, sagte Ben finster, dann fuhr er mit seinem Bericht fort: »Im Laufe der Zeit erfuhr ich auf meinen Reisen durch Sumer, Akkad und Ägypten von der Osiris-Legende, und ich kam zu dem Schluss, dass ich das fehlende Glied sein musste, der kleine Finger, den Isis nicht mehr hatte finden können.«
    »Du bist also sein Klon«, sagte Eve, »verfügst aber nicht über sein Wissen.«
    Ben nickte. »Dafür jedoch über seine Fähigkeit, nicht wirklich sterben zu können. Hack mich klein, und aus jedem der Stücke wird ein weiterer Klon, jedoch ohne Kenntnis der Vergangenheit, ohne jedes Wissen über seine Wurzeln und seine Identität. Für immer ein Ausgestoßener. Ewig auf der ebenso verzweifelten wie vergeblichen Suche nach seinesgleichen. Ewig im wahrsten Sinne des Wortes, Eve. Ich habe genug darunter gelitten, um das irgendwem antun zu wollen.«
    Eve verstand. »Selbst bei einer Verbrennung in einem Hochofen könnten einzelne Zellen überleben …«
    »Ja«, bestätigte Ben. »Es würde zwar Jahrzehnte oder vielleicht sogar Jahrhunderte dauern, bis sie ausgewachsen wären, aber wachsen würden sie. Und dann wären sie so verloren wie ich damals auf der Insel im Indischen Ozean, und wenn dann die Neugier und die Sehnsucht sie treiben, werden auch sie sich auf die Suche machen nach ihrer Identität und dabei auf nichts stoßen als auf nur weitere offene Fragen, und auch sie würde man den Rest ihres ewigen Lebens lang jagen.«
    »Hast du denn nie versucht, Isis und Osiris zu finden?«, fragte Margaret voller Mitgefühl.
    »Natürlich habe ich das«, antwortete er. »Aber ohne jeden Erfolg. Woher immer die beiden kamen, sie sind offenbar schon vor sehr langer Zeit dorthin zurückgekehrt. Und ich habe mich damit abgefunden, einzigartig zu sein. Oder eher: zur Einzigartigkeit verflucht zu sein.«
    »Nein, du hast dich nicht damit abgefunden«, widersprach Eve. »Du bist daran zerbrochen.«
    Er sackte noch ein Stückchen weiter in sich zusammen »Ich habe dir jetzt alles erzählt, was ich weiß, Eve. Nun bist du an der Reihe. Wie kehrt man den Prozess um? Wie kann ich endlich sterblich werden?«
    »Komm mit nach draußen«, sagte sie.

97
    Nur in das Badetuch gewickelt, trat Eve an die Backbordreling und sah nach Süden, wo die Sterne des Orion/Osiris am wolkenlosen Himmel leuchteten. Sie hatte die jahrtausendealten Zeichen verstanden, das Rätsel des Osiris gelöst,
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