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Die Lazarus-Formel

Die Lazarus-Formel

Titel: Die Lazarus-Formel
Autoren: Ivo Pala
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Rückspiegel und auch die Seitenspiegel zu schauen, während sie beschleunigte und über das Motorengeräusch ihres Wagens hinweg nach dem Geräusch eines anderen Fahrzeugs lauschte. Hörte sie da etwas, oder war es nur das Rauschen ihres schneller pumpenden Blutes?
    Für einen Moment wollte sie trotz der Schlaglöcher und Bodenwellen noch mehr Gas geben. Dann aber zwang sie sich zur Besonnenheit. Wer sollte sie schon verfolgen? Niemand außer Professor Berg und Anne war darüber informiert, woran sie seit Neuestem arbeitete, und nur Anne wusste, wo sie gerade hin wollte.
    Sie nahm den Fuß wieder vom Gas und versuchte erneut, ihren Herzschlag durch langsames Atmen zu regulieren. Die Erinnerung an die Zeitungsberichte der niedergebrannten Labors und die Leichen der darin ums Leben gekommenen Wissenschaftler machte das nicht gerade leichter.

7
    London.
Westminster Abbey.
    Hätte es Zuschauer gegeben, hätten die sich sehr gewundert über das Bild, das sich in dem Garten hinter der berühmtesten Kathedrale Englands gerade bot: Sechs Männer in mittelalterlichen schwarzen Kutten und tief in die Gesichter gezogenen Kapuzen bestiegen nacheinander einen hochmodernen mitternachtsschwarzen Eurocopter AS 565 Panther.
    Aber es gab keine Zuschauer. Dafür war gesorgt.
    Es durfte keine geben.
    Nie.
    Einen noch größeren Kontrast zu dem High-Tech-Hubschrauber als die klerikalen Kutten bildeten die Waffen, die die Männer trugen. Es waren Schwerter und Dolche mit den typisch kunstvoll verzierten Griffen der Schmiedemeister aus dem spanischen Toledo. Einer von ihnen führte zudem eine antike Armbrust mit sich. Er trug sie mit der Behutsamkeit, mit der man ein Baby hält. Sie war ihm kostbar, denn sie war ein Original von Peter Sarazenus, dem Armbrustbauer von Richard Löwenherz. Über achthundert Jahre alt. Der Schaft war aus geölter Eibe wie auch der Bogen, der auf Vorder- und Rückseite mit fein verzierten Damaszenerstahlspangen verstärkt war, sodass die Waffe selbst auf zweihundert Metern Entfernung den Brustpanzer einer schweren Rüstung durchschlagen und den Mann darin töten konnte.
    Als ihr Träger den Hubschrauber als Letzter bestieg und die Tür hinter sich schloss, blitzte über dem dunklen Handschuh an seiner rechten Hand ein Ring auf. Das Siegel darauf zeigte einen Baum hinter zwei gekreuzten flammenden Schwertern.
    Die beiden je 625 kW starken Turbotriebwerke heulten auf, und der Helikopter stieg mit sechs Metern pro Sekunde atemberaubend schnell senkrecht empor, ehe er hoch über der Kathedrale in Richtung Nordwesten schwenkte. Schon nach kurzer Zeit hatte er seine Höchstgeschwindigkeit von 285 km/h erreicht und war gleich darauf nicht mehr zu sehen.
    Die Männer würden rechtzeitig bei ihrem Ziel anlangen, trotz des noch notwendigen Zwischenstopps in Risinghurst.

8
    Anglican Benedictine Abbey of Shrawley.
    Eine Dreiviertelstunde, nachdem das Reh Eve so erschreckt hatte, dass sie den Rest der Fahrt immer wieder in den Rückspiegel blicken musste, schälten die Scheinwerfer ihres bergan kurvenden Audi das Kloster aus der Dunkelheit. Es lag wie verlassen und von der Welt vergessen an einem Hang unterhalb des Waldrands und war von einer hohen, renovierungsbedürftigen Bruchsteinmauer umgeben, über die hinweg Eve einen Glocken- und einen Wohnturm sehen konnte. Im oberen Fenster des Turms wurde gerade ein schwaches Licht entzündet.
    Eve lenkte den Wagen neben das große Tor und schaltete den Motor aus. Für einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl, ein Echo zu hören, so als erstarb nicht weit entfernt ein zweiter Motor eine halbe Sekunde nach ihrem. Sie spähte zurück zu dem Weg, auf dem sie gekommen war, doch der war nur noch ein finsterer Tunnel, umrahmt von uralten Linden, die über ihm ihre gewaltigen, dichten Kronen zusammensteckten wie verschwörerische Riesen, die sich ein Geheimnis zuflüsterten. Eine Gänsehaut kroch ihr über den Rücken, als ihr bewusst wurde, dass sie mehr als eine Stunde durch diesen Tunnel gefahren war, und sie bekam im Nachhinein noch ein Gefühl der Beklemmung.
    Missmutig schüttelte sie es ab. Sie verfluchte ihre Angespanntheit und ihre Entscheidung, mit der Fahrt zum Kloster nicht bis zum nächsten Tag gewartet zu haben. Der alte Wald, die Dunkelheit und die Abgeschiedenheit des Klosters kratzten mehr an ihren Nerven, als es der Wissenschaftlerin in ihr lieb war.
    Als sie ausstieg, fröstelte sie trotz der Strickjacke, die sie trug. Es war empfindlich kühl geworden. Ein
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