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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve
Autoren: Jo Nesbø
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gemacht.«
    »Was zum Beispiel?«
    Harry zuckte mit den Schultern. »Zu behaupten, dass du dich auf diesen unbekannten Täter mit der Pistole geworfen hast. Dass er eine Sturmhaube trug, kein Wort gesagt und nur Handzeichen gegeben hat. Du hast es mir überlassen, daraus die offensichtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen. Dass dein Verhalten die Schmauchspuren an deiner Hand erklärte. Und dass der Mörder nicht gesprochen hat, weil er Angst hatte, du könntest seine Stimme wiedererkennen. Es musste also jemand sein, der mit der Polizei oder dem Drogenhandel zu tun hatte. Ich denke, du bist auf die Idee mit der Sturmhaube gekommen, weil dieser Polizist, der mit euch in Alnabru war, so ein Ding hatte. In deiner Geschichte war er nebenan, weil das Büro leer stand und zudem unverschlossen war, so dass jeder von da in Richtung Fluss abhauen konnte. Du hast mir all diese Tipps gegeben, damit ich selbst zu der logischen Schlussfolgerung komme, dass nicht du Gusto ermordet hast. Du wusstest, dass ich zu diesem Schluss kommen würde. Denn unser Hirn ist immer bereit, sich von unseren Gefühlen leiten zu lassen.«
    Oleg nickte langsam. »Aber jetzt hast du all die anderen Antworten. Die richtigen.«
    »Abgesehen von einer«, sagte Harry. »Warum?«
    Oleg antwortete nicht. Harry hielt die rechte Hand hoch, während er die linke langsam in seine Hosentasche steckte und ein zerknittertes Zigarettenpäckchen und ein Feuerzeug herausfischte.
    »Warum, Oleg?«
    »Was glaubst du?«
    »Eine Weile dachte ich, es ginge um Irene. Um Eifersucht. Oder darum, dass du wusstest, dass er sie an jemanden verkauft hatte. Aber wenn nur er wusste, wo sie war, konntest du ihn ja nicht töten, bevor er dir das gesagt hatte. Es musste also um etwas anderes gehen. Etwas, das mindestens ebenso stark war wie die Liebe zu einer Frau. Denn eigentlich bist du ja kein Mörder, oder?«
    »You tell me.«
    »Du bist ein Mann mit einem klassischen Motiv, das schon andere gute Männer zu furchtbaren Taten getrieben hat, mich eingeschlossen. Die Ermittlungen haben sich im Kreis gedreht, zu nichts geführt. Ich bin wieder da, wo ich am Anfang war. Aber verliebt … Die schlimmste aller Lieben.«
    »Was weißt du schon davon?«
    »Ich weiß das, weil ich in dieselbe Frau verliebt war. Oder in ihre Schwester. Abends ist sie unendlich attraktiv, doch am nächsten Morgen, wenn du aufwachst, ist sie ein Schreckgespenst.« Harry zündete sich die schwarze Zigarette mit dem goldenen Filter und dem russischen Reichsadler an. »Aber wenn der Abend kommt, hast du das wieder vergessen und bist erneut bis über beide Ohren verliebt. Und nichts und niemand kann mit dieser Liebe konkurrieren, nicht einmal Irene. Du musst mich korrigieren, wenn ich mich irre.«
    Harry nahm einen Zug von der Zigarette und sah Oleg an.
    »Wofür brauchst du mich dann?«, fragte Oleg. »Du weißt doch ohnehin schon alles.«
    »Ich will das aus deinem Mund hören.«
    »Warum?«
    »Weil ich will, dass du das aus deinem Mund hörst. Damit auch dir klarwird, wie krank und sinnlos das ist.«
    »Was? Es soll krank sein, jemanden zu erschießen, der dir dein Dope klauen will? Das Dope, das du dir so qualvoll zusammengekratzt hast?«
    »Hörst du nicht, wie banal und todtraurig das ist?«
    »Das sagst du!«
    »Ja, das sage ich. Ich habe die beste Frau meines Lebens verloren, weil ich es nicht geschafft habe, dieser Sucht zu widerstehen. Und du hast deinen besten Freund getötet, Oleg. Sag seinen Namen.«
    »Warum?«
    »Sag seinen Namen.«
    »Ich bin es, der hier die Waffe hat.«
    »Sag seinen Namen.«
    Oleg grinste. »Gusto. Was soll …?«
    »Noch einmal.«
    Oleg legte den Kopf auf die Seite und sah Harry an. »Gusto.«
    »Noch einmal!«, schrie Harry.
    »Gusto!«, schrie Oleg zurück.
    »Noch einm…!«
    »Gusto!« Oleg holte Luft. »Gusto! Gusto …« Seine Stimme hatte zu zittern begonnen. »Gusto!« War an den Rändern brüchig geworden. »Gusto. Gus…« Ein Schluchzen stellte sich ihm in den Weg. »…to.« Tränen liefen über seine Wangen, als er die Augen schloss und flüsterte: »Gusto. Gusto Hanssen …«
    Harry trat einen Schritt vor, aber Oleg hob die Pistole.
    »Du bist noch jung, Oleg. Du kannst dich noch immer verändern.«
    »Und was ist mit dir, Harry? Kannst du dich nicht auch verändern?«
    »Ich wünschte, ich könnte, Oleg. Ich wünschte, ich würde mich so ändern, dass ich in Zukunft besser auf dich aufpassen könnte. Aber für mich ist es zu spät. Ich bleibe der, der ich
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