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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve
Autoren: Jo Nesbø
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seinen Unterbiss und sein grunzendes Lachen amüsiert hatten. Irgendwann in der Abizeit hatte Mikael ihn mal damit zu trösten versucht, dass er bei diesem Namen mehr an das »anarchistische Weltbild« und die »antikonforme Moral« der MTV -Zeichentrickfigur gedacht hatte. Aus seinem Mund hatte sich das angehört, als hätte er Truls damit einen Ehrentitel verliehen.
    »Nein. Ich glaube nicht, dass ich Truls jemals in meine Rolle eingeweiht hätte.«
    »Ich finde es noch immer seltsam, dass du ihm nicht vertraust. Ihr seid doch Jugendfreunde? Hat er nicht sogar diese Terrasse für dich betoniert?«
    »Das hat er. Mitten in der Nacht und mutterseelenallein. Verstehst du? Wir reden hier über einen Mann, der nicht wirklich hundertprozentig zurechnungsfähig ist. Der kann auf die verrücktesten Ideen kommen.«
    »Und trotzdem hast du dem Alten den Tipp gegeben, Truls als Brenner zu rekrutieren?«
    »Weil ich Truls seit meiner Kindheit kenne und weiß, dass er durch und durch korrupt und käuflich ist.«
    Isabelle Skøyen lachte laut auf, und Mikael bat sie, etwas leiser zu sein.
    Truls hielt den Atem an. Sein Hals war wie zugeschnürt, und er hatte das Gefühl, irgendein Tier im Bauch zu haben. Ein herumirrendes, kleines Wesen, das einen Weg nach draußen suchte. Es kitzelte und zitterte und versuchte überall durchzukommen. Seine Brust zog sich zusammen.
    »Du hast mir übrigens nie erzählt, warum du mich als Partner in Sachen Zusammenarbeit ausgewählt hast«, sagte Mikael.
    »Das ist doch klar, weil du so einen schönen Schwanz hast.«
    »Nein, jetzt mal im Ernst. Wenn ich deinen Vorschlag für die Zusammenarbeit mit dir und dem Alten nicht angenommen hätte, hätte ich dich ja festnehmen müssen.«
    »Festnehmen?«, sie schnaubte. »Was ich getan habe, war doch alles zum Besten der Stadt. Man legalisiert Marihuana, teilt Methadon aus, finanziert Spritzenräume. Oder man macht den Weg frei für einen Stoff, der seltener zu Überdosisfällen führt. Wo ist da der Unterschied? Die Drogenpolitik muss pragmatisch sein, Mikael.«
    »Immer mit der Ruhe, ich bin ja ganz deiner Meinung. Wir haben Oslo zu einer besseren Stadt gemacht. Prost.«
    Sie übersah sein erhobenes Glas. »Du hättest mich doch nie verhaftet. Denn dann hätte ich allen erzählt, dass du es hinter dem Rücken deiner süßen, kleinen Frau mit mir getrieben hast.« Kichern. »Sogar direkt hinter ihrem Rücken. Erinnerst du dich an unsere erste Begegnung auf diesem Premierenfest, als ich dir gesagt habe, dass du mich haben könntest? Deine Frau stand direkt hinter dir, gerade eben außer Hörweite, und trotzdem hast du nicht einmal mit der Wimper gezuckt, sondern bloß gesagt, ich solle dir fünfzehn Minuten geben, damit du sie nach Hause schicken könntest.«
    »Psst, du hast getrunken«, sagte Mikael und legte ihr die Hand auf den Rücken.
    »In diesem Moment habe ich erkannt, dass du ein Mann ganz nach meinem Herzen bist. Und als der Alte dann vorschlug, ich solle mir einen Alliierten mit vergleichbar hohen Ambitionen suchen, wusste ich, zu wem ich gehen musste. Prost, Mikael.«
    »Apropos, wir haben nichts mehr in den Gläsern, vielleicht sollten wir reingehen und …«
    »Vergiss das mit dem Herzen. Es gibt keine Männer nach meinem Herzen, bloß nach meinem …« Ihr Lachen klang wie ein tiefes Murren.
    »Komm, gehen wir.«
    »Doch, Harry Hole!«
    »Psst.«
    »Das ist ein Mann ganz nach meinem Herzen. Ein bisschen dumm, natürlich, aber … na ja. Was meinst du, wo ist der überhaupt?«
    »Da wir schon eine ganze Weile ohne Erfolg nach ihm suchen, wird er wohl das Land verlassen haben. Er hat Olegs Freispruch erwirkt, vermutlich kommt er nicht wieder zurück.«
    Isabelle taumelte, aber Mikael hielt sie fest.
    »Du bist ein Teufel, Mikael. Und wir Teufel verdienen einander.«
    »Mag sein, aber wir sollten wieder reingehen«, sagte Mikael und sah auf die Uhr.
    »Jetzt sei doch nicht so gestresst, Liebling, ich habe reichlich Erfahrung darin, ein bisschen betrunken zu sein. Kapiert?«
    »Kapiert. Aber geh vor, das sieht dann nicht so …«
    »Schweinisch aus?«
    »In der Art, ja.«
    Truls hörte ihr hartes Lachen, gefolgt von dem noch härteren Klackern ihrer Absätze.
    Sie war weg, und Mikael blieb allein zurück und lehnte sich ans Geländer.
    Truls wartete ein paar Sekunden. Dann trat er hervor.
    »Hallo, Mikael.«
    Sein Jugendfreund drehte sich um. Der Blick war verschleiert, das Gesicht leicht aufgedunsen. Truls ging davon aus, dass die lange
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