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Die Lanze des Herrn

Die Lanze des Herrn

Titel: Die Lanze des Herrn
Autoren: Arnaud Delalande
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Archäologe Kaas christliche Mosaiken. Auf dem einen war Jona mit dem Walfisch dargestellt. Auf einem anderen der gute Hirte und auf einem dritten Petrus, der Fischer, mit seinem Netz. Die Hinweise häuften sich. An den Wänden und am Sockel des Monuments hatten die Pilger der ersten Jahrhunderte ihre Spuren hinterlassen. Sie waren offenbar gekommen, das Andenken Petri zu ehren. Auf dem Boden lagen Opfergaben in Form von Münzen aus Germanien, Gallien, Britannien und den Donaugebieten. Pius XII. war persönlich in die von Kaas freigelegte Krypta hinabgestiegen, als sich die Vermutungen des Gelehrten von Tag zu Tag mehr bestätigten.
    Gutachten und Gegengutachten lösten einander ab, bis schließlich alle Zweifel ausgeräumt waren. Dann entschloss man sich, die sensationelle Entdeckung bekannt zu geben. Unter den Fundamenten der antiken Basilika Konstantins hatte man das Grab des Apostels Petrus gefunden.
    Judith hustete. Rasch legte sie die Hand vor den Mund. Ihr Husten hatte ein Echo ausgelöst. Sie holte ihre Lesebrille aus der Tasche. Dann beugte sie sich wieder über die Dokumente. Der Kardinal hatte ihr neue Fotos geschickt. Eines war mit den Worten beschriftet: Grab des Kreuzritters von Akko, MCCXCI.
    Nur wenige Schritte von der Einfriedung des PetrusGrabes hatte man eine Lage höher ein weiteres Grab in den Resten der antiken Nekropole entdeckt. Es war in die Wand eingelassen wie in den alten römischen Katakomben und im Vergleich zu anderen Grabnischen sehr bescheiden. Darin stand ein Sarkophag, auf dessen Deckel ein Mann in Waffen dargestellt war. Der Tote mit seinem Barett, dem mit einem Kreuz versehenen Waffenrock, dem Helm unter dem Arm, dem eisernen Kettenhemd, dem Schild an seiner Linken und dem quer über den Leib gelegten Schwert sah sehr friedlich aus. Auf seinem Gesicht stand ein feines Lächeln, für die Ewigkeit in Stein gemeißelt. Die steinernen Falten seines Mantels hingen im Bogen an beiden Seiten des Sarges herab. Es war ein Tempelritter. Wenn man das Schicksal der Tempelritter kannte, war es allerdings merkwürdig, einen von ihnen zwei Schritte vom Grab Petri bestattet zu finden. In den Sockel waren lateinische Bittgebete eingraviert: Heiliger Petrus, bitte für uns… Sei unser Fürsprecher bei Gott. Zu Füßen des unbekannten Ritters waren die üblichen christlichen Symbole wie Kreuze und Fische zu erkennen. Auf seinem Schild stand unauffällig die Inschrift AKKO, dann das römische Datum MCCXCI. Akko oder Akkon war der Name der letzten römischen Festung, die sich der Rückeroberung durch die Mamelucken widersetzt hatte. Die Templer hatten sie bis zu dem Jahr gehalten, das auf dem Schild eingraviert war: 1291. Ihrer Akte war außerdem zu entnehmen, wie der Sarkophag geöffnet worden war. Von dem Tempelritter war nur noch ein in Lumpen gehülltes Skelett vorhanden gewesen sowie der Kettenpanzer, in dem die nackten Knochen lagen. Die Verwesung hatte ihr Werk bereits vor langer Zeit vollendet. Sein Helm, das schartige Schwert und sein Schild lagen bei ihm. Neben den Rippen hatte Ludwig Kaas einen Lederbeutel gefunden, der etwa vierzig mal sechzig Zentimeter maß. Nachdem er die Riemen gelöst hatte, waren mehrere Pergamentrollen zum Vorschein gekommen. Einige wenige waren noch intakt. Als der Archäologe eine von ihnen öffnen wollte, zerfiel sie zu Staub. Die Rollen schienen noch älter zu sein als der Tempelritter.
    Behutsam bargen Kaas und seine Leute die Rollen, um zu retten, was zu retten war. Ein Team des Vatikans sollte sie so schnell wie möglich untersuchen. Doch erst einmal mussten die Pergamente des Templers hinter dem Petrus-Grab zurückstehen. Man inventarisierte sie mit der Absicht, sich ihnen später zu widmen. Die Archäologen waren begeistert über ihren Fund, ahnten jedoch nicht im Geringsten, dass sie das Testament des Longinus entdeckt hatten. Auch konnten sie sich nicht vorstellen, wie die Rollen in das Grab des Ritters von Akko gelangt waren.
    Als Pius XII. der Welt am Heiligen Abend des Jahres 1950 in einer Radioansprache verkündete, dass man das Grab Petri gefunden habe und dass seine Echtheit außer Frage stehe, war zu keiner Zeit von dem Grab des Templers oder den Pergamentresten die Rede, die so lange Zeit nur wenige Meter vom Grab des Apostels entfernt gelegen hatten. Professor Kaas starb, ohne die geringste Ahnung davon zu haben, welch wichtige Entdeckung er gemacht hatte. Die Pergamente des Kreuzritters von Akko, die später Testament des Longinus heißen
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