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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos
Autoren: Sofia Caspari
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unwillkürlich, ob sie schwanger war. Ein Stich durchfuhr sie bei dem Gedanken, dass sie selbst nie wieder schwanger werden würde. Inzwischen hatten ihre Blutungen vollkommen aufgehört. Dabei bin ich doch noch gar nicht so alt, fuhr es ihr durch den Kopf.
    Blancas Lachen riss Viktoria aus ihren Gedanken. Paco musste irgendetwas gesagt haben, was sie amüsierte.
    Du hast zwei wunderbare Kinder, mahnte Viktoria sich in Gedanken, trauere nicht dem nach, was es nicht mehr geben kann. Paco und Blanca sind glücklich, ist das nicht wunderbar?
    An diesem Abend lagen Blanca und Paco noch lange wach. Viktoria hatte für sie beide in Pacos ehemaligem Jungenzimmer ein großes Bett aufstellen lassen, dort hatten sie es sich gemütlich gemacht. Es gab so immer unendlich viel zu erzählen.
    »Gibt es irgendetwas, was du heute anders entscheiden würdest?«, fragte Paco plötzlich.
    Blanca musste offenbar gar nicht überlegen, ihre Antwort kam ganz spontan. »Ich habe einmal einen Freund bestohlen, der mir kurz zuvor das Leben gerettet hatte. Darauf bin ich gar nicht stolz.«
    »Ich nehme an, du warst dazu gezwungen?«
    Blanca zuckte die Achseln. »Ich kann nur sagen, dass es mir damals leichter erschien, das Pferd einfach zu nehmen und nicht zu fragen.«
    »Wo war das?«
    »Da unten in Patagonien, in diesem kleinen Dorf am Río Negro. Meine Mutter war gerade getötet worden. Ich wollte einfach nur fort und alle Brücken hinter mir abbrechen …«
    Vom Tod Corazons wusste Paco – Blanca hatte ihm berichtet, was an jenem Tag geschehen war. Das andere war ihm neu. Er räusperte sich.
    »Hast du je darüber nachgedacht, noch einmal dorthin zu reisen?«
    »Nein. Wieso?« Blanca zögerte und fügte dann hinzu: »Manchmal … vielleicht.« Dann schloss sie die Augen.
    In dieser Nacht fand Paco kaum Schlaf. Es gab etwas, über das er angestrengt nachdenken musste. Am Ende wusste er, dass er Blanca einen Vorschlag machen würde.
    An der Anlage und Ausrichtung der Siedlung in der Nähe des Río Negro hatte sich in all den Jahren nichts verändert. Blanca erschien sie sogar noch armseliger als damals. Es gab eine staubige Straße, gesäumt von größeren und kleineren adobe -Hütten. Ein paar Hunde und Hühner liefen umher. Irgendwo blökten Schafe. Die Hütte, in der sie und ihre Mutter gelebt hatten, war verschwunden. Dafür konnte sie Paco die Stelle zeigen, an der sie früher manchmal gebadet hatten. Auch hier sah es noch so aus wie früher.
    »Nackt, nehme ich an?«, neckte er sie. »Das muss ein bezaubernder Anblick gewesen sein.«
    Blanca lächelte nur. Sie war zu ergriffen. Nie hätte sie gedacht, dass die Erinnerung sie so gefangen nehmen würde. Sie hatte sich jahrelang, wie sie meinte, erfolgreich bemüht, alles zu verdrängen, was sie mit diesem Ort verband. Jetzt kam es mit Macht zurück. Sie hörte Stimmen von damals, sie erkannte den typischen Geruch dieser Gegend, die Art, wie die Sonne auf ihrer Haut brannte und der Wind ihr Haar zerzauste.
    Wenig später besuchten sie den Friedhof des kleinen Ortes, der sich in der Weite Patagoniens schier verlieren wollte. Hier waren, nicht überraschend, einige Gräber hinzugekommen. Die meisten hatte der Wind fast wieder unkenntlich gemacht. Gras überwucherte sie, die Kreuze hingen schief, wo es eine Beschriftung gab, war sie verblichen und kaum noch lesbar. Nur ein Grab wurde offenbar gepflegt. Eine Vase mit Blumen stand darauf. Neugierig trat Blanca näher und gab im nächsten Moment einen klagenden Laut von sich.
    »Was ist denn?« Paco eilte an ihre Seite.
    Blanca deutete auf das Kreuz. »Meine … meine Mutter«, stammelte sie. »Das ist das Grab meiner Mutter.«
    »Corazons?«
    »Ja.«
    Paco überlegte fieberhaft. Und dann fiel ihm ein Ort ein, an dem sie möglicherweise erfahren konnten, wer das Grab pflegte: die pulpería.
    Das Haus, in dem sich einst Carlitos pulpería befunden hatte, stand immer noch an der gleichen Stelle, es war jedoch renoviert worden. Als Blanca und Paco aus dem gleißenden Sonnenlicht ins schattige Innere traten, dauerte es einen Moment, bis sie sich an die Lichtverhältnisse gewöhnten. Es war jetzt Nachmittag, die Zeit der Siesta, und die pulpería war menschenleer. Irgendwo in einer Ecke wurde ein Stuhl über den Boden geschoben, dann kamen Schritte näher. Wenig später stand ein Mädchen mit feuerrotem Haar vor ihnen.
    »Ist Carlito zu sprechen?«, fragte Blanca.
    »Den kenne ich nicht«, entgegnete die Kleine.
    »Der Besitzer der pulpería«,
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