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Die Lady mit der Lanze

Die Lady mit der Lanze

Titel: Die Lady mit der Lanze
Autoren: Jocelyn Kelley
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nicht durch eine Schießscharte zwängen.«
    »Ich hätte mich durchzwängen können.« Sie hatte es nur gehofft, wollte aber ihre Zweifel für sich behalten. Würde er sie auslachen? Sie hatte in seiner Miene nicht die Andeutung eines Lächelns gesehen.
    »Mit Hilfe dieser langen Stangen?« Er berührte eine mit der Zehenspitze.
    »Ja.«
    Seine dunklen Augen wurden wieder schmal und verliehen ihm einen Ausdruck wild wie jener seines Falken. »Zwei Stangen weisen am Ende zwei Querstücke auf. Habt Ihr Euch auf diese Stangen oder wie immer sie heißen, gestellt, um die Öffnung zu erreichen?«
    »Man nennt sie Stelzen.«
    »Ihr habt meine Frage nicht beantwortet.«
    »Ich sah keine Notwendigkeit dazu, da Ihr das Offenkundige erkannt habt. Ebenso ist es offenkundig, dass, wäret Ihr nicht des Weges gekommen …«
    »Wie lange hättet Ihr dort oben gehangen, ehe Ihr auf die Felsen gestürzt wäret oder die Wachen Euch bemerkt hätten, nachdem Ihr entdeckt hättet, dass die Öffnung zu schmal ist?«
    »Das sollte Euch nicht bekümmern.«
    Er äußerte halblaut etwas, von dem sie argwöhnte, dass es ein walisischer Fluch war. »Wenn Ihr mir diese Frage nicht beantworten wollt, dann sagt mir wenigstens, wo und warum Ihr gelernt habt, auf Stelzen zu gehen.«
    »Das ist leicht zu beantworten. Da man nie weiß, wann man gewisse Fertigkeiten brauchen kann, eignet ein kluger Mensch sie sich bei Gelegenheit an.«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Es ist die einzige, die ich habe.« Einem Fremden würde sie nichts von dem Leben verraten, das sie vor ihrem Klosterdasein geführt hatte.
    Als er seinen Fuß von ihren Stelzen nahm, hob sie diese zusammen mit dem dritten Stock auf. Sie achtete darauf, die oberste Stelze so zu halten, dass die eisernen Spitzen des Kampfstockes verdeckt wurden. Sie wollte nicht erklären müssen, warum sie diese Waffe bei sich hatte. Sie setzte besser auf das Überraschungsmoment, wenn er ihre Versuche, das zu tun, was sie tun musste, weiterhin behinderte.
    Der Mann, den er zum Tor geschickt hatte, kam mit breitem Grinsen zurückgelaufen. Elspeth blickte von ihm zu Tarran, dessen Lippen unverändert blieben und einen geraden Strich bildeten. Was für ein verdrießlicher Kerl!
    »Lord de la Rochelle heißt uns willkommen«, sagte der Mann.
    »Danke, Kei.« Tarran nickte den anderen zu, die sich hinter ihm einreihten.
    »Ihr habt sie gut gedrillt, wie ich sehe.« Elspeth schalt sich für diese Bemerkung. Wie konnte man nur so gedankenlos sein? Den Streit in die Länge zu ziehen, steigerte die Gefahr, dass Tarran die Wahrheit entdeckte.
    »Sie akzeptieren Disziplin in der Hoffnung, das Ziel zu erreichen, das wir uns setzten.«
    »Und was ist das?«
    »Das sollte Euch nicht bekümmern.«
    Sie stellte die Stelzen auf und betrachtete ihn mit einem Ausdruck so kühl wie der seine. Es war sein gutes Recht, sie mit den eigenen Waffen zu schlagen, doch musste sie sicher sein, dass er nichts mehr unternehmen würde, um sie daran zu hindern, ihr der Königin gegebenes Versprechen zu halten.
    Elspeth hatte keine Ahnung, wie lange sie und Tarran dastanden und einander anfunkelten, nicht gewillt, den Blick als Erster zu senken. Das Krächzen des Vogels auf seiner Linken zerriss schließlich ihren spannungsgeladenen Kontakt.
    Regen setzte ein, als hätte der Falke ihn herbeigerufen. Kein sanfter Frühlingsregen, sondern eine wahre Sintflut. Die alte Frau zog ihre Kapuze hoch, als Elspeth, noch immer mit den Stelzen in der Hand, zu den Felsen lief.
    Sie hörte Rufe, verlangsamte ihren Lauf aber nicht. Plötzlich schnitt ein Pferd ihr den Weg ab und schlug mit den Vorderhufen gegen sie aus. Hinter ihr ertönte eine Stimme. Tarrans Stimme! In einer einzigen Bewegung ließ sie die Stelzen fallen und schwang den Kampfstock. Der Reiter brüllte laut, als sie ihn aus dem Sattel stieß. Mit dumpfem Aufprall landete er auf dem Boden.
    Sie erwischte die Zügel, ehe das Pferd auf seinen ächzenden Reiter trampeln konnte. Mit der Waffe in der Hand kniete sie an seiner Seite nieder.
    »Seid Ihr verletzt?«, fragte sie ihn.
    Der schwere Mann, der mittelbraunes Haar hatte, machte ein Auge auf und knurrte etwas Unverständliches, wobei er seinen rechten Arm umklammerte, von dem die Hand in einem merkwürdigen Winkel herabhing.
    »Ja, er ist verletzt«, sagte Tarran hinter ihr. Er übergab den Falken dem Mann, der ihn zuvor gehalten hatte. Der Vogel schlug mit den Flügeln und krächzte unwillig, weil er weitergereicht wurde. »Ihr habt
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