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Die Lady mit der Lanze

Die Lady mit der Lanze

Titel: Die Lady mit der Lanze
Autoren: Jocelyn Kelley
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unbemerkt zu verschwinden. Sie konnte behaupten, dass sie ihre Reise fortsetzen musste. Und dann konnte sie einen anderen Weg in die Burg suchen, musste jedoch damit rechnen, dass Tarran oder einer seiner Gefährten Lord de la Rochelle verrieten, was sie versucht hatte. Das Überraschungsmoment war dahin.
    Sie nahm die Stelzen und schulterte alle drei Stangen, ehe sie auf das offene Tor zuging. Als sie Iau fluchen hörte, warf sie einen Blick zurück und sah, dass Tarran seinem Mann langsam auf die Beine half. Bedauern darüber, dass sie den Mann verletzt hatte, durchschoss sie, und sie dachte an die vielen Male, als die Äbtissin sie ermahnt hatte, jede Aktion zu überdenken, ehe sie sie durchführte. Hätte sie aber in Kauf genommen, selbst verletzt zu werden, konnte es das Ende des Königs bedeuten.
    Die Soldaten machten ihr Platz. Wie viel hatten sie gesehen? Als ihr einer zuzwinkerte, wandte sie den Blick ab. Man hatte sie vor der Welt außerhalb der Klostermauern gewarnt, wo Männer um die Aufmerksamkeit der Frauen buhlten. Eine Warnung, derer es nicht bedurfte. Als Kind hatte sie zwar nicht begriffen, was es bedeutete, wenn ihre Mutter bei einem Auftritt gierige Männerhände wegstieß, doch hatten sich die Bilder in ihr Gedächtnis eingegraben. Sie sah noch immer den Abscheu in den Augen ihrer Mutter vor sich, wenn ein zudringlicher Kerl an ihrem Kleid zerrte, um sie auf seinen Schoß zu ziehen. Das spröde Lachen ihrer Mutter, so anders als ihr echtes, war Elspeth für immer in Erinnerung geblieben.
    Nie würde sie zulassen, dass ein Mann so mit ihr umsprang. Sie war nicht mehr die Tochter fahrender Gaukler. Sie war eine Lady von St. Jude’s Abbey. Eine Lady ! Kein Mann würde es wagen, eine Lady so zu behandeln!
    Als sie über die Zugbrücke und unter dem Fallgatter hindurchschritt, wurde Elspeth gewahr, dass die anderen ihr folgten. Ihr galten alle Blicke im äußeren Hof, als Männer und Frauen in ihrem Tun innehielten, um die Neuankömmlinge zu beobachten.
    Eine Hand legte sich auf ihren Arm. Das Gefühl der Hitze, das sie verspürt hatte, als Tarran ihre Finger berührte, huschte wieder über ihre Haut.
    »Achtet darauf, Euch nicht allein sehen zu lassen«, sagte er im Flüsterton.
    »Ich kann selbst auf mich achtgeben.« Sie wusste seine Freundlichkeit zu schätzen, wenn sie aber auch nur andeutungsweise den Eindruck erweckte, sie wäre nicht imstande, sich selbst zu schützen, würde er womöglich noch entschlossener an ihrer Seite bleiben. Mit seinem Zorn und seinem Befehlston konnte sie sich abfinden, nicht aber mit den Gefühlen, die er in ihr mit einer ganz unverfänglichen Berührung weckte. Die Empfindungen, die seinen Fingerspitzen entsprangen, verdrängten jeden Gedanken an ihre Aufgabe.
    »Das wird sich zeigen. Ein glücklicher Hieb, gegen einen Wehrlosen geführt, beweist wenig.« Er ließ ihren Arm nicht los. »Sogar Heliwr ist zuweilen verletzlich.«
    »Heliwr?«
    Er warf einen Blick auf den Vogel, der auf seinem linken Unterarm thronte, und seine Miene wurde weich. »Das ist das walisische Wort für Jäger.« Stimme und Züge verhärteten sich wieder, als er hinzusetzte: »Würdet Ihr wohl bei Vala bleiben, während ich mit unserem Gastgeber spreche?«
    »Es ist mir eine Ehre, über sie zu wachen.«
    Seine dunklen Brauen senkten sich, als Regentropfen aus seinem dichten schwarzen Haar herunterflossen. »Gebt acht, nicht auch sie aus dem Sattel zu stoßen.«
    Alles was sie sagte, würde seinen Missmut steigern, deshalb drängte sie sich zwischen den Männern zu der alten Frau durch, die sich von einem Mann, der Kei ähnelte, vom Pferd helfen ließ. Dieser Mann sah Elspeth finster an, doch die alte Frau bedeutete ihr näherzutreten.
    »Die Lady wird mich vor Gefahr bewahren«, sagte Vala mit sanftem, aber erschöpftem Lächeln. »Geh zu den anderen, Gryn.« Sie legte ihre Hand auf Elspeths Arm. »Ich bin Euch dankbar für Euren Schutz, Mylady.«
    »Ihr werdet ihn hoffentlich nicht brauchen.« Sie konnte nicht anders, als das Lächeln erwidern. Vala hatte etwas an sich, das sie an die Äbtissin erinnerte. Verbarg Vala wie die Äbtissin eiserne Willenskraft hinter aufrichtiger Güte?
    Als sie den Männern zum Tor in den inneren Hof folgten, sagte Vala: »Sicher seid Ihr neugierig, warum eine alte Frau mit fünf Kriegern reist.«
    »Das bin ich.«
    Sie entkamen drei Schritte lang dem Regen und betraten sodann den Innenhof. Elspeths nasser Umhang klebte bei jedem Schritt an ihr. Der Geruch
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