Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lady auf den Klippen

Die Lady auf den Klippen

Titel: Die Lady auf den Klippen
Autoren: Brenda Joyce
Vom Netzwerk:
wehtat, so voller Gefühl war es.
      Versonnen blickte sie zu den Fenstern auf der anderen Seite des Schlafzimmers. Bilder erschienen vor ihrem inneren Auge, Bilder, die sie hasste, fürchtete und von denen sie wünschte, sie würden für immer verschwinden. Als er sie in Land’s End geliebt hatte, waren die Erinnerungen zurückgekehrt – und hatten sie in die schreckliche Vergangenheit zurückgeholt.
      Auch damals hatte sie Rex schon geliebt. Sie hatte begriffen, dass Freude und Leidenschaft auch Erinnerungen und Schmerz bringen konnten. Blanche erstarrte.
      In ihren Schläfen pochte es, aber nicht so schmerzhaft wie bei einem Messerstich. Die Bilder waren lebhaft – nie würde sie den Anblick des erschlagenen Pferdes vergessen, des Monstermannes oder ihrer getöteten Mutter. Sie wartete darauf, dass die Schreie ihrer Mutter erklangen, sie aus dem Bett und in die andere Welt holten.
      „Blanche?“
      Das Gesicht ihrer Mutter war bleich und verzerrt vor Angst – ein Ausdruck, den Blanche niemals vergessen würde –, als der Monstermann verlangte, dass sie aus der Kutsche stieg. Sie kannte die Worte auswendig. Steigen Sie aus der Kutsche, Lady.
      Blanche war voller Furcht, obwohl sie sich fühlte, als würde sie sich an die Geschehnisse nur erinnern, sie aber nicht erleben. Das Bett schien zu schwanken. Sie hob den Kopf und sah, dass Rex sich aufrichtete.
      Das Gesicht ihrer Mutter war jetzt starr vor Angst. Der Monstermann wartete, und Blanche wartete darauf, den schmerzhaften Griff ihrer Mutter zu spüren. Sie wartete darauf, dass ihre Mutter gepackt und aus der Kutsche gezerrt wurde, sie wartete darauf, dass die Angst sie mitriss.
      Plötzlich spürte sie eine leichte Liebkosung, erst an der Schulter, dann an ihrem Arm. Blanche zuckte zusammen und blickte hoch zu Rex.
      „Wir sind in Harrington Hall“, sagte er leise. „Wir sind Mann und Frau.“
      Sie setzte sich auf und bemerkte jetzt seinen herrlichen Körper, der so muskulös und stark wirkte, dass schon wieder Verlangen in ihr erwachte. Es war so lange her, seit sie ihn im hellen Licht des Tages hatte bewundern können. „Ich weiß“, sagte sie ebenso leise.
      Das Bild des maskenhaften Gesichts ihrer Mutter blieb bestehen, so wie die hellen Augen des Monstermannes, in denen Wahnsinn schimmerte. Die Bilder wurden unscharf, und statt ihrer sah sie das getötete Pferd und ihre ebenfalls misshandelte und getötete Mutter vor sich. Schmerz durchzuckte Blanche, so scharf wie ein Messer, aber es war in ihrer Brust, nicht in ihrem Kopf, und sie erkannte die Trauer hinter diesem Schmerz.
      „Sag mir, was geschehen ist, Blanche.“
      Sie zuckte zusammen. „Ich erinnere mich daran, wie meine Mutter aussah, nachdem sie sie erstochen hatten.“
      Rex nickte und wurde blass. „Kannst du bei mir bleiben?“, fragte er und schob ihr langes, helles Haar zurück.
      Jetzt bemerkte Blanche, dass sie nackt war, und sie zog die Bettdecke bis zu ihrem Kinn hoch. „Ich warte darauf, wieder die Schreie meiner Mutter zu hören“, sagte sie. „Ich warte darauf, wieder sechs Jahre alt zu werden, aber stattdessen sind da diese Bilder, so deutlich wie abscheuliche Gemälde, und ich fühle so viel Kummer.“
      Er umfasste ihre Schultern. „Du hattest nie eine Chance, um deine Mutter zu trauern, weil du den Aufstand und alles, was damit verbunden war, sofort vergessen hast. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit für dich zu trauern.“
      Als Blanche bemerkte, dass sie über den Tod ihrer Mutter weinen wollte, erschrak sie – aber sie wollte auch um ihren Vater weinen.
      Er überraschte sie, indem er sagte: „Und du hast nie um Harrington getrauert. Tu, was du tun musst, Blanche. Jeder von uns muss um den Verlust geliebter Menschen trauern.“
      Sie sah ihn an, und ihr Blick verschleierte sich. „Ich habe sie so lieb gehabt. Sie war die sanfteste, freundlichste Mutter, die ein Kind sich nur wünschen konnte. Jetzt erinnere ich mich an all das.“
      „Das ist eine gute Erinnerung.“
      „Warum mussten sie sie umbringen? Warum?“
      Er legte einen Arm um sie. „Wenn eine Menschenmenge sich in einen Mob verwandelt, ist es das Gleiche, als würde aus einem Schoßhund ein Raubtier werden. Es gibt keine Vernunft mehr, keine Überlegungen. Der Mob wird zu einer wilden, unbeherrschbaren Bestie. Es wird niemals eine Erklärung geben für das, was an jenem Tag geschehen ist, Blanche.“
      Sie wischte sich die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher