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Die Kurtisane des Teufels

Die Kurtisane des Teufels

Titel: Die Kurtisane des Teufels
Autoren: Sandra Lessmann
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der Kaffee köchelte und sein exotisches Aroma sich mit dem des Tabaks und dem Geruch nach ungewaschenen Leibern mischte. An den Wänden hingen Gemälde, die der Rauch so dunkel gefärbt hatte, dass Kitty aus der Entfernung nicht erkennen konnte, was sie darstellten. Zwischen den Bildern klebten bedruckte Plakate, und auf den Tischen lagen hier und da Zeitungen und Pamphlete, die sich die Gäste von dem Ständer an der Wand nehmen konnten. Der Holzboden war mit Sägespänen bedeckt.
    Beim Nähertreten bemerkte Kitty einen jungen Mann, der auf einer Bank flegelte, die Beine von sich gestreckt, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, den Hut über die Stirn tief ins Gesicht gezogen, als würde er schlafen. Doch sie sah deutlich seine Augen auf sich gerichtet und errötete leicht, denn sie fühlte, dass dies kein Ort für ein anständiges Mädchen war. Auf einer anderen Bank lag zusammengesunken eine in Lumpen gekleidete Frau in tiefem Schlummer. Ihr schmutziges Halstuch war verrutscht und ließ ihre prallen Brüste sehen, die aus dem locker geschnürten Mieder quollen und die Aufmerksamkeit zweier Gäste erregten, die sie mit trunkenem Blick anglotzten.
    Die Augen von der anzüglichen Szene abwendend, trat Kitty tapfer zur Theke. Die beleibte Frau in der ausladenden Haube sah sie erstaunt und dann neugierig an.
    »Was kann ich für dich tun, Kindchen?«, fragte sie.
    »Ich suche meinen Bruder«, begann Kitty und versuchte, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. »Er heißt Thomas Marshall und ist gelernter Kunsttischler. Man sagte mir, dass er in Covent Garden wohnt. Kennt Ihr ihn vielleicht, Madam?«
    Der freundliche Ausdruck auf dem breiten Gesicht der Frau wich deutlicher Betroffenheit. Aus einer Ecke hinter ihr war die unsichere Stimme eines angetrunkenen Mannes zu hören: »Wenn du wissen willst, was aus Tom Marshall geworden ist, Süße, dann frag Jonathan Wild.«
    Die Frau warf ihm einen strafenden Blick zu. »Halt den Mund, Tom King. Du bist wieder einmal voll bis an die Kiemen und weißt nicht, was du redest.«
    Schwankend wie ein Schiff im Sturm versuchte der Mann, sich von seinem Stuhl aufzurichten.
    »Du bist ungerecht, Moll. Ich habe nur ein Glas Gin gezwitschert.«
    »Ach, das höre ich jeden Tag. Setz dich wieder hin, Gatte, bevor du aus den Schuhen kippst.«
    Moll King gab ihrem Gemahl einen Stoß vor die Brust, der diesen auf seine ächzende Sitzgelegenheit zurückbeförderte. Inzwischen schien Tom vergessen zu haben, worum sich das Gespräch gedreht hatte, denn er ging nicht weiter darauf ein.
    »Es tut mir leid, Herzchen«, sagte Moll entschuldigend zu Kitty. »Mein Mann ist leider dem Genever nur allzu verfallen. Hört nicht auf ihn. Wenn Euer Bruder jemals Gast hier gewesen wäre, wüsste ich es.«
    »Seid Ihr sicher, Madam?«, hakte das Mädchen nach. »Könnte dieser Jonathan Wild, den Euer Gatte erwähnte, vielleicht etwas über Thomas wissen?«
    »Glaubt mir, Kindchen, Mr. Wild hat bedeutende Geschäfte, um die er sich kümmern muss. Es wäre besser, wenn Ihr ihn nicht mit Euren Fragen belästigt. Möchtet Ihr etwas trinken? Ein Schälchen Kaffee kostet einen Penny.«
    Entmutigt nickte Kitty und zog ihre Börse hervor. Ein Silberpenny wechselte den Besitzer und ließ die Augen der Schankfrau aufleuchten.
    »Wie schön, dass Ihr es passend habt, Herzchen«, sagte sie strahlend. »Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie rar Kleingeld in London ist. Schenken und Kaffeehäuser geben hier ihre eigenen Münzmarken heraus.«
    Sie füllte Kitty eine Schale mit dem duftenden schwarzen Gebräu und reichte sie ihr. »Wenn Euch der Kaffee zu bitter ist, könnt Ihr etwas Zucker dazu haben, aber das kostet einen Farthing zusätzlich. In anderen Kaffeehäusern mischt man Senf, Ale oder Zimt, Nelken und Minze hinein, aber solch ausgefallene Zutaten habe ich nicht da.«
    »Nein danke«, erwiderte Kitty abwehrend. »Ich trinke ihn so.«
    Vorsichtig ergriff sie die Schale mit dem heißen Getränk und setzte sich an einen leeren Tisch. Doch bereits nach dem ersten winzigen Schluck bereute sie es, zumindest den angebotenen Zucker ausgeschlagen zu haben, denn das Gebräu war so bitter, wie es aussah, und entlockte ihr eine angewiderte Grimasse.
    Der Schmerz in ihren Füßen ließ ein wenig nach, und auf einmal begann Kitty ihre Erschöpfung zu spüren. Da es inzwischen auf den Abend zuging, blieb ihr nichts anderes übrig, als in ihre Unterkunft zurückzukehren und eine Fortsetzung der Suche auf morgen zu verschieben.
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