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Die Kunst, nicht abzustumpfen

Die Kunst, nicht abzustumpfen

Titel: Die Kunst, nicht abzustumpfen
Autoren: Stephan Marks
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Das Imperium der Schande. Der Kampf gegen Armut und Unterdrückung. München: Pantheon.
    Zimmer, Hans (2003). »Ich pirsche mich ans Publikum ran« (Gespräch). In: Der Spiegel 31, S. 142-144.

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    Die Würde des Menschen oder:
Der blinde Fleck in der Gesellschaft

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Gütersloh, in der Verlagsgruppe
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München

Einleitung
    Ein Problem wird entsorgt
     
    Bastian B. ist schmächtig und schüchtern. Von Mitschülern wird er seit der 7. Klasse als »Hurensohn« verhöhnt. Dann flüchtet der verschüchterte Junge unter die Eingangstreppe der Geschwister-Scholl-Realschule, voller Angst, Ohmacht, Scham und Wut im Bauch. In der 8. Klasse wird er von mehreren halbstarken Jungen auf dem Pausenhof mit einem glühenden Schlüssel gequält. Seinem Tagebuch vertraut er seine abgrundtiefen Ängste an, die sich allmählich in Hass verwandeln:
    »Wenn ich einen von den Arschlöchern sehe, bin ich wie gelähmt. Ich laufe die Straße entlang und sehe welche von der Sorte, Jugendliche, HipHopper, Feinde, und ich bekomme wahnsinnige Angst.«
    Wenn er angesprochen wird, kann er gar nicht mehr klar denken. Seine Pubertät erlebt Bastian als einzige Kränkung und Ausgrenzung, zumal er zweimal sitzen bleibt. Umso mehr zieht er sich in seine Scheinwelt zurück: gewalttätige Computerspiele. Wegen seines schwarzen Trenchcoats wird Bastian von Mitschülern als »Psycho« verspottet. Nach außen hin wirkt er so, als ob solche abfälligen Bemerkungen eiskalt an ihm abprallen, während sich »jede noch so kleine abfällige Bemerkung in sein Gedächtnis einbrannte« (Deggerich 2006, 37).
    Im Juni 2006 schließt er die 10. Klasse ab und verlässt die Schule. Später notiert er in seinem Tagebuch:
    »Stell dir vor, du stehst in deiner alten Schule, stell dir vor, der Trenchcoat verdeckt all deine Werkzeuge der Gerechtigkeit, und dann wirfst du den ersten Molotowcocktail,
die erste Bombe. Du schickst deinen meist gehassten Ort zur Hölle!«
    Auf seiner Internet-Seite veröffentlicht er einen Brief, in dem er unter anderem schreibt:
    »Das einzige, was ich intensiv in der Schule beigebracht bekommen habe, war, dass ich ein Verlierer bin. (…) Man musste das neueste Handy haben, die neuesten Klamotten und die richtigen ›Freunde‹. Hat man eines davon nicht, ist man es nicht wert, beachtet zu werden. Und diese Menschen nennt man Jocks. Jocks sind alle, die meinen, aufgrund von teuren Klamotten oder schönen Mädchen an der Seite über anderen zu stehen. Ich verabscheue diese Menschen, nein, ich verabscheue Menschen. (…)
    Ihr habt diese Schlacht begonnen, nicht ich. Meine Handlungen sind ein Resultat eurer Welt, eine Welt, die mich nicht sein lassen will, wie ich bin. Ihr habt euch über mich lustig gemacht, dasselbe habe ich nun mit euch getan, ich hatte nur einen ganz anderen Humor! Von 1994 bis 2003/2004 war es auch mein Bestreben, Freunde zu haben, Spaß zu haben. Als ich dann 1998 auf die GSS kam, fing es an mit den Statussymbolen, Kleidung, Freunde, Handy usw. Dann bin ich wach geworden. Mir wurde bewusst, dass ich mein Leben lang der Dumme für andere war, und man sich über mich lustig machte. Und ich habe mir Rache geschworen! (…)
    Ich will meinen Teil zur Revolution der Ausgestoßenen beitragen!
    Ich will RACHE !
    Ich habe darüber nachgedacht, dass die meisten der Schüler, die mich gedemütigt haben, schon von der GSS abgegangen sind. Dazu habe ich zwei Dinge zu sagen:
Ich ging nicht nur in eine Klasse, nein, ich ging auf die ganze Schule. Die Menschen, die sich auf der Schule befinden, sind in keinem Falle unschuldig! Niemand ist das! In deren Köpfen läuft dasselbe Programm, welches auch bei den früheren Jahrgängen lief! Ich bin der Virus, der diese Programme zerstören will, es ist völlig irrelevant, wo ich da anfange.
Ein Großteil meiner Rache wird sich auf das Lehrpersonal richten, denn das sind Menschen, die gegen meinen Willen in mein Leben eingegriffen haben und geholfen haben, mich dahin zu stellen, wo ich jetzt stehe: auf dem Schlachtfeld! Diese Lehrer befinden sich so gut wie alle noch auf dieser verdammten Schule! (…)
    Seit meinem 6. Lebensjahr wurde ich von euch allen verarscht! Nun müsst ihr dafür bezahlen! (…) Ich bin weg …« (B. 2006, Rechtschreibung wurde redaktionell angepasst)
    Bald danach, am Morgen des 20. November 2006, verlässt der gerade 18 Jahre alt gewordene Bastian B. sein gutbürgerliches Elternhaus am
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