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Die Küsten der Vergangenheit

Die Küsten der Vergangenheit

Titel: Die Küsten der Vergangenheit
Autoren: Jack McDevitt
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fürchtete sie, sich die Finger zu verbrennen.
    »Ich glaube, es ist Fiberglas«, sagte ihr Ehemann Phil.
    Jack Wendell stand ein wenig abseits, hatte die Hände in die Hüften gestemmt und starrte die Yacht an. »Ich glaube nicht«, widersprach er. Er war früher in der Navy gewesen. »Es fühlt sich jedenfalls ganz und gar nicht wie Fiberglas an.«
    »Tom.« Betty Kausner blickte Lasker an. »Wem gehört dieses Boot?«
    Lasker hatte nicht die leiseste Ahnung. Das Boot war wunderbar. Es glänzte in der schwachen Spätherbstsonne Dakotas.
    Alle paar Minuten fragte jemand anderes, ob das vielleicht ein Scherz sein sollte.
    Lasker fiel nur ein einziger Grund ein, warum jemand ein Boot wie dieses vergraben könnte, und dieser Grund hieß Rauschgift. Das Boot hatte etwas mit Drogen zu tun. Lasker erwartete allen Ernstes, in seinem Innern Leichen vorzufinden. Als sie an Bord gingen, spähte er vorsichtig zögernd in jede Kabine.
    Gott sei Dank fanden sie nichts dergleichen.
    Das Boot war irgendwie anders als alle, die Lasker bisher gesehen hatte, obwohl er nicht direkt sagen konnte, worin der Grund dafür zu suchen war. Vielleicht lag es an jenem ersten Morgen an den vorüberziehenden dunklen Wolken, unter deren Licht sich Farbe und Struktur des Materials zu verändern schienen. Vielleicht lag es an den Proportionen von Bug und Heck, von Ruder- und Hauptmast. Vielleicht waren es irgendwelche subtilen Verhältnisse in der Geometrie des gesamten Bootes.
    Will blickte nach Osten, in Richtung des nördlichen Red River. »Ganz schön weit bis zum Wasser«, meinte er nachdenklich.
    »Es sieht aus, als wäre es in gutem Zustand.« Ray Hammond, dem das Land im Osten entlang der Route 11 gehörte, kratzte sich am Kopf. »Es sieht aus, als könnte man morgen damit lossegeln.« Er berührte die Segel mit der Stiefelspitze. »Sie könnten ein wenig Wasser und Seife vertragen.«
    Ein Wagen bog in den Feldweg ein. Ed Patterson, seine Frau und fünf Kinder stiegen aus. Ed war der Besitzer von Handy Hardware in Walhalla, einem kleinen Eisenwarenladen. Er inspizierte das Boot und schüttelte den Kopf. Seine Frau musterte Lasker, als hätte dessen Familie Geheimnisse, die gerade ans Tageslicht gekommen wären. Die Kinder spielten auf dem Feldweg Nachlaufen.
    Kausner war zu seinem großen Kombi gegangen. Er kehrte mit einem Bandmaß zurück, markierte an Bug und Heck den Boden und maß die Länge ab. »Siebenundvierzig Fuß und fünf Zoll«, verkündete er schließlich.
    Hätte sich einer der Anwesenden in der Materie ausgekannt, würde er das Boot als Ketch identifiziert haben. Es besaß einen durchgehenden Kiel. Seine größte Breite betrug nur knapp unter siebzehn Fuß. Das Unterwasserschiff war phantastisch, die Bilge elegant geschwungen. Eine hüfthohe Reling zog sich um das gesamte Deck bis zum Bug. Es gab zwei Steuerstände, einen in dem offenen Cockpit am Heck und einen in dem Ruderhaus direkt achtern vom Hauptmast. An Steuerbord und Backbord befeinden sich Lufthutzen.
    Die einzige sichtbare Beschädigung war eine gebrochene Schiffsschraube.
    Sie nahmen die Segel ab, wuschen sie und hängten sie im Keller von Laskers Haus zum Trocknen auf. Lasker entfernte die Taue, reinigte sie und deponierte sie in der Scheune.
    Es dauerte zwei weitere Tage, unter Deck sauber zu machen.
    Das Boot besaß zwei Kabinen, eine Kombüse und einen Waschraum.
    Die Kabinen waren nichts Außergewöhnliches. In jeder befanden sich ein Tisch, ein paar Stühle und zwei Kojen. In die schmucklosen Schottenwände waren mehrere leere Spinde eingebaut.
    Die Kombüse war mit einem Kühlschrank ausgestattet, einer Reihe von Apparaten, die vielleicht Mikrowellenherde darstellten, sowie mit verschiedenen Flüssigkeitsspendern. Die Symbole auf dem Kühlschrank und den Mikrowellen waren unvertraut. Im Waschraum gab es eine Dusche und ein Waschbecken und die seltsamste Toilette, die Lasker jemals zu Gesicht bekommen hatte: Sie war niedrig und breit und besaß weder eine Brille noch eine Abdeckung. Erneut fanden sie Beschriftungen, die niemand entziffern konnte.
     
    »Es ist unheimlich«, brummte Tom am ersten Abend, nachdem sie unter Deck gewesen waren. Die kleine Menschenansammlung hatte sich nach einer Weile aufgelöst und zerstreut. Lasker war allein zurückgeblieben. Ihn quälte die Frage, wie das Boot in die Hügel gekommen war. Was hatte Will gesagt? Ganz schön weit bis zum Wasser.
    Nach dem Abendessen blickte Lasker durch das Fenster über dem Spülbecken hinaus
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