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Die Krone von Camelot

Die Krone von Camelot

Titel: Die Krone von Camelot
Autoren: Gillian Bradshaw
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fragte ich, und meine Stimme hörte sich sehr tief und zitternd an.
    Er lächelte. Die grauen Augen waren unergründlich vom Haß. »Ja. Es tut mir nur leid, daß ich nicht mehr erlebe, wie sich alles erfüllt. Meine Mutter ist gerächt. Und selbst wenn mein Vater diese Niederlage überlebt, dann ist doch sein Reich wie Glas zerbrochen. Maelgwyn zieht nach Hause, nach Gwynedd. Aber er kommt wieder. Der Norden ist schon vom Krieg zerrissen. Dumnonia ist ein Ödland. Ob nun mein Vater oder Maelgwyn am Ende mit ein paar purpurnen Lumpen dasteht, das spielt keine Rolle. Das Ende ist doch das gleiche: völlige Vernichtung. Denk darüber nach, edle Dame. Sag meinem Vater, er soll bei seinem Siegesfest Lieder darüber machen, und sage es meinem Bruder.«
    »Dein Bruder ist tot«, antwortete ich scharf. »Er ist hier in Ynys Witrin gestorben - vor vier, nein, vor fünf Tagen.«
    Medrauts Augen weiteten sich, und der tiefe Haß in seinem Blick wich dem Ausdruck der Verwirrung. »Gawain? Tot?«
    »Er ist an der Wunde gestorben, die er von Bedwyr in Gallien erhalten hat, und weil er sich nicht hat behandeln lassen. Er wollte nicht mehr leben nach dem Tod seines Sohnes - ich habe gehört, du hättest gelächelt, als du ihm davon erzähltest.« Medraut starrte mich weiterhin an, und ich hatte den Drang, ihn zu schlagen, wie er so hilflos dalag. Ich hatte den Drang, ihm Schmerzen zu verursachen. Aber dann fiel mir ein, was Gawain gesagt hatte, und ich ballte die Hände hinter dem Rücken und zwang die Worte heraus, die wie brüchiges Eis klangen: »Gawains letzte Worte waren: >Wenn du kannst, dann sag meinem Bruder, daß ich ihn geliebt habe.<«
    Medraut wandte den Blick ab. Seine rechte Hand wurde zur Faust, entspannte sich, ballte sich und schlug wild auf den Boden. »Nein«, sagte er und stieß einen Schluchzer aus, der sich seinem Herzen abgepreßt hatte. »Nicht auch noch er - oh, Mo Brathair.« Ich hatte ihn noch nie in seiner Muttersprache rufen hören, und ich starrte ihn verblüfft an. Er schlug wieder auf den Boden, schrie laut, jetzt im Zorn, und stützte sich mit Gewalt auf, so daß er sitzen konnte. Sein Rücken triefte von Blut. Ich sprang zurück, während er versuchte, sich auf den Knien zu halten. Aber er fiel vornüber, aufs Gesicht, und begann zu schluchzen. Eine Dienerin kam eilig herüber.
    »Fiebert er?« fragte sie mich flüsternd. »Soll ich helfen, ihn anzubinden?«
    »Nein«, erwiderte ich. Ich kniete mich wieder neben Medraut hin, und ich war in großer Verwirrung. Trotz allem, was Gawain über seinen Bruder gesagt hatte, ich hatte nie erwartet, daß Medraut in seinem Haß und unter seinen vielen Masken dennoch jemanden lieben könne. Aber der Ausdruck, mit dem er mich angeschaut hatte, als ich ihm von Gawains Tod erzählte, ließ keine Zweifel übrig.
    Die bleichen Augen blickten mich wieder an, während ich kniete, und hefteten sich auf mich. Er machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber nur Blut kam heraus. Er hatte sich in dem Versuch, aufzustehen, noch mehr verletzt. Er zitterte wild, hustete und wurde sehr still. Nach einem Augenblick berührte ich seinen Hals dicht unterm Kinn und stellte fest, daß sein Pulsschlag aufgehört hatte. Artus’ Sohn, sein einziges Kind, war tot. Ich nahm die Hand weg und blickte zu der Dienerin auf.
    »Dies war der Anführer der feindlichen Armee - Medraut ap Lot«, sagte ich zu ihr. »Du kannst die Leiche draußen an die Südmauer legen, sobald wir den Platz hier drinnen brauchen.« Die Augen des Mädchens weiteten sich, und sie nickte heftig mit dem Kopf. Sie starrte die Leiche an, die dort still und blutig lag und in deren Haar sich das Fackellicht fing. Ich preßte einen Augenblick lang die Hände aufs Gesicht, nahm sie dann herunter und sah, daß sie voller Blutflecken waren. War es Medrauts Blut oder das Blut irgendeines anderen? Ich konnte es nicht sagen. Ich mußte noch eine Namensliste zusammenstellen, und frische Pferde waren zu suchen.
    Ungefähr um Mitternacht kam Cuall, Sanddes Schreiber, und holte mich. Wir hatten hin und her überlegt, wo wir die unverletzten Überlebenden der Schlacht unterbringen sollten, die seit einiger Zeit in ständig wachsenden Zahlen zurückkehrten und dringend einen warmen Platz zum Ausruhen, warmes Essen und etwas zu Trinken brauchten. Außerdem hatten wir fast keine Transportmöglichkeiten mehr. Wenn es auf dem Schlachtfeld noch mehr Verwundete gab, dann würden sie in der Kälte noch vor dem Morgen sterben. O ja, jetzt
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