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Die Krone von Camelot

Die Krone von Camelot

Titel: Die Krone von Camelot
Autoren: Gillian Bradshaw
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seinem Eid zu entbinden, nachgegeben, nachdem Bedwyr die Nachricht empfangen hat, die ich ihm später in diesem Jahr zukommen ließ. Vor ein paar Jahren habe ich von einem Wanderpriester erfahren, daß Bedwyr überall in Kleinbritannien wegen seines asketischen Lebens berühmt geworden ist - er hat sich gegeißelt und gefastet und vor Tagesanbruch in eisige Bäche gekniet und Psalmen gesungen, und so weiter. Die bretonischen Klosterbrüder halten ihn für sehr heilig. Ich selbst weiß, daß er das Gegenteil glaubt. Bedwyr würde nie glauben, daß er Gott dazu überreden könnte, ihm zu verzeihen, weil er sich quält. Und ich glaube nicht, daß er es schaffen wird, seinen Körper genug zu strafen, um von sich selbst Verzeihung zu erlangen. Aber vielleicht ist Gott gnädiger als Bedwyr. Vielleicht.
    Sandde ist König von Dumnonia geworden und herrschte von seiner neuen Hauptstadt Camlann aus. Erst ein paar Jahre, nachdem ich den Süden verlassen hatte, starb er in einem der neuen Kriege gegen die Sachsen. Es gibt viele Kriege heutzutage, kleine Kriege, und überall herrscht große Unsicherheit.
    Die Schiffe, die früher von Kleinbritannien kamen, erscheinen jetzt unregelmäßiger, und sie bringen nicht länger Nachrichten aus den fernen Teilen des Reiches. Rom scheint uns heute so fern und geheimnisvoll, wie mir in meiner Jugend Konstantinopel vorgekommen ist. Die Leute leben dem Augenblick und fürchten sich vor dem Morgen, denn die Welt wird ständig dunkler.
    Vor nicht allzu langer Zeit wanderte ein Barde bei unserem Kloster vorüber, und er sang ein neues Lied, das vom Tod eines Unterkönigs handelte. Dieses Lied ist mir seitdem immer wieder durch den Kopf gegangen. Man sagt, es sei von der Schwester des Toten geschrieben worden.
    Dunkel ist’s heute in Cynddylans Halle,
    es flackert kein Feuer, und Schlaf wir nicht finden.
    Ich will schweigen nach der Stunde der Tränen.
    Dunkel ist’s heute in Cynddylans Halle,
    es flackert kein Feuer, es strahlt keine Kerze.
    Was hält mit Gewalt meine Seele?
    Dunkel ist’s heute in Cynddylans Halle, der sie bewohnte, ist gegangen.
    Grausamer Tod, was läßt du mich bleiben?
    Von Gorwynniens Hügel
    blickt’ ich hinab auf ein Land so sommerlich schön.
    Lang ist der Sonne Lauf, länger noch meine Erinnerung.
    Meine Erinnerung reicht weit zurück, aber sie wird mit mir sterben, und bald wird sich kein Lebender mehr an unser Reich erinnern. Was bleibt also, trotz all des Blutvergießens und all des Kummers?
    Manchmal glaube ich, daß nichts übrigbleibt. Lange Zeit glaubte ich, das Ende von Camlann sei auch das Ende von allem gewesen, und die Bitterkeit schwoll in mir auf, bis ich Angst bekam, denn es ist nicht gut, wenn man alt ist und bald vor Gott treten und wegen seiner Taten Rede und Antwort stehen muß, wenn man von wortloser Bitterkeit erfüllt ist. Ich fing an, mir einzureden, daß ich vergessen sollte.
    Aber ich brachte es einfach nicht fertig, zu vergessen, und je mehr ich mich erinnerte, desto weniger hatte ich den Wunsch, zu vergessen. Ich wollte die Erinnerung an Camlann nicht verlieren, wie es am Morgen aussah, wenn die Sonne vom Schnee auf dem Dach der Festhalle schien und wenn der Rauch von den Morgenfeuern aufstieg. Ich wollte nicht die Feste in dem großen, dämmrigen Gebäude vergessen, das Glitzern des vielen Goldes, die Töne der Harfe. Wie groß die Bitterkeit auch ist, die sich mit den Erinnerungen vermischt, das, was wir in Camlann besaßen, war der Traum, nach dem sich die Herzen aller Menschen immer gesehnt haben. »O oriens, splendor lucis aeterna«, »O Tagesanbruch, Glanz des ewigen Lichtes und Sonne der Gerechtigkeit, komm, erleuchte jene, die in der Dunkelheit wandeln und im Schatten des Todes.« Wir haben schon auf Erden den Wein des neuen Jerusalem gekostet, das in Ewigkeit kommen soll. Natürlich ist der Verlust dieses Traumes bitter; viel bitterer als der Verlust der ganzen Welt. Aber ich kann mir nicht wünschen, zu vergessen, daß es da war, ein paar Jahre wenigstens. Nein, ich will nichts davon vergessen: weder Artus’ Lächeln und seine klaren Augen noch Bedwyrs warmen Blick noch die Freundschaften und die Liebe und die erstaunliche
    Schönheit der Welt, die wir neu schufen.
    Ich habe mich zurückentwickelt und angefangen, wie eine Äbtissin zu reden. Nun, das bin ich ja auch, und meine Sprache bekommt dadurch mehr Farbe. In Camlann haben wir versagt; nichts von dem, was wir uns mühten aufzubauen, bleibt noch, außer der Sehnsucht, die
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