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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin
Autoren: Stefan Nowicki
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Kloster gereist, hatte lange ermüdende Gespräche geführt und hatte gesät, was er nun ernten durfte. Den ganzen Tag hatte er stehend am großen Tisch verbracht und unzählige Briefe geordnet. Erfreulicherweise waren eine ganze Reihe guter Nachrichten darunter, der Rest waren jämmerliche Ausreden, klägliche Versuche der Verzögerung, Lügen und Ausflüchte. Gegen Mittag hatte der Kämmerer bereits begonnen, erneut zu packen, und gerade noch rechtzeitig war es ihm, dem Stellvertreter Christi, dem legitimen Nachfolger Petri, gelungen, die Diener daran zu hindern, seine Decke aus Biberpelz zu entfernen. Der Papst fror. In was für zugigen Bauten selbst hohe Adlige hier doch hausten. Dabei war diese Burg noch eines der besseren Quartiere. Im Laufe des Jahres hatte er Herrschaftssitze besucht, die mehr schlecht als recht aus Holz zusammengezimmert schienen. Er wickelte sich in die Pelzdecke und ließ sich in dem großen Lehnsessel nahe am Feuer nieder. Erschöpft schloss er die Augen. Seit er in Cluny mit seinem Vorgänger Gregor und anderen über die Möglichkeit einer geeinten, mächtigen Kirche diskutiert hatte, war so viel Zeit vergangen. Nun war er allerdings seinem Ziel ganz nahe. Hinter seinen geschlossenen Lidern formte sich das Bild jener Menschenmenge, die ihm vor wenigen Tagen zugejubelt und seine Worte „Deus lo vult!“ gerufen hatte. Sieben Mal hatte er mit seinen engsten Beratern die Rede umgeschrieben. Und sie hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Aber das war ja nur der vorläufige Höhepunkt gewesen. Zuvor war er von einer Burg zur nächsten geeilt. Er kannte seine Heimat im Süden Frankens gut, doch ihm schien, als habe er im Lauf der letzten Monate mit jedem Stein und jedem Schlagloch Freundschaft geschlossen. Mit großer Überredungskunst war es ihm gelungen, eine ganze Reihe von mächtigen Fürsten für seinen Plan zu gewinnen. Er sicherte ihnen nicht nur den Schutz ihrer Güter, sondern auch Herrschaft über zu erobernde Landstriche im Osten zu, nebst aller Beute, die sie machen würden – und die Vergebung ihrer Sünden. Er wusste jetzt nicht mehr, wie viele Äbte er überredet hatte, Rittern, die sich dem Zug anschließen würden, Geld zu leihen. Wie gerissen doch diese Klosterbrüder waren. Zur Sicherheit verlangten sie, dass alle, denen sie Hilfe gewährten, ihnen ihre Ländereien für die Zeit der Abwesenheit überschrieben. Die Gewinne aus deren Bewirtschaftung standen dann dem Kloster zu. Das widersprach eigentlich dem kanonischen Verbot, Zinsen zu erheben, aber so wie er, der Papst, es dem einen oder anderen Abt in den Mund legte, erschien es selbst Zweiflern gerecht.
    Gott will es, dessen war er sich sicher. Auch er war nur ein Werkzeug des Allmächtigen, wenn auch ein ständig zu noch größerer Macht heranreifendes. Die Vorbereitungen all der Monate hatten sich nun ausgezahlt. Seine Rede war mit größter Begeisterung aufgenommen worden. Zuletzt warf sich Adhémar von Le Puy vor seine Füße und bat, wie mit ihm besprochen, darum, der erste sein zu dürfen. Urban lächelte in Erinnerung an diese Inszenierung. Dann hätte der Trottel aus Toulouse beinahe noch alles verdorben. Der Bote sollte eigentlich frühestens zwei Tage später auftauchen und die Teilnahme Graf Raimunds verkünden. Aber in der allgemeinen Aufregung schien es, Gott sei Dank, niemandem aufgefallen zu sein, dass die Strecke von Clermont nach Toulouse und zurück unmöglich in weniger als fünf Tagen zu bewältigen war. Schon jetzt wusste er, dass Provencalen, Lothringer und auch die Ritterschaften des Südens bereit waren.
    Wenn all diese Schläger und Ritter loszogen, würde von einem Tag auf den anderen Frieden im Land einkehren. Er, der Papst, würde in aller Munde Friedensfürst genannt. Der Kaiser von Byzanz wusste gar nicht, welch großen Gefallen er Gott und der Welt mit seinem Hilfegesuch gemacht hatte. Nicht nur, dass Alexios, indem er sich an ihn gewandt hatte, die Rechtmäßigkeit seines Anspruches auf den Stuhl Petri anerkannte, nein, mit der Aussendung des Heeres unterstrich Urban noch einmal seine große Macht.
    Ein anderes Bild schob sich vor sein inneres Auge und ließ ihn sorgenvoll und angewidert das Gesicht verziehen. Kurz nach seiner Rede brachten sie einen Mönch zu ihm. Eine erbärmliche Gestalt, zerlumpt, schmutzig und stinkend. Er wurde ihm als Peter von Amiens vorgestellt. Der Mönch kniete vor ihm nieder und zog unter seiner Kutte ein Pergament hervor. Dies sei, so berichtete der Einsiedler,
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