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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin
Autoren: Stefan Nowicki
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Muskeln zusammenzogen, die neunmonatige Last nach unten drückten. Sie kannte diesen Schmerz. Schon einmal hatte sie ein Kind zur Welt gebracht. Es schien ihr, als wäre das vor vielen, vielen Jahren gewesen. Ihr damaliges Leben kam ihr wie ausgelöscht vor. Doch darauf hatte sie ja auch gehofft, als sie sich vor fünf Jahren auf den Weg gemacht hatte.
    Im Zelt angekommen, drückten sie die Schmerzen auf den Schemel nieder, und die Bahnen ihres Zeltes schienen zu verschwimmen. Sie rümpfte die Nase, die ersten Feuer zum Verbrennen der sterblichen Reste all der gefallenen Christen und Heiden waren entzündet worden, und ihr Rauch kroch durch die Zeltstadt.
    Ursula schloss die Augen, und Bilder unangenehmer Erinnerungen drängten sich ihr auf. Sie sah sich, vierzehn Jahre alt, mit einem schweren Eimer gebückt aus einer niedrigen Türe kommen.

Auf dem Hof des Bauern Matthes,
irgendwo zwischen Bamberg und Regensburg 1094
    Das aus groben Brettern, Geflecht und Lehm gebaute Haus war mit Stroh bedeckt. Sie erkannte den Hof wieder. Durch die Öffnung im Dach quoll Rauch, den der Wind bis fast auf den schlammigen Boden herunterdrückte. Der Saum ihres aus grober Wolle gewebten Kleides schliff über die kleinen Pfützen hinweg, die ihre nackten Füße im Morast hinterließen. Im Eimer schwappten Essensreste von zwei Tagen, die sie zum Schweinekoben bringen musste. Das Seil des Holzeimers schnitt sich in ihre Handfläche.
    Arbeit gab es nicht wenig auf dem kleinen Bauernhof. Manche Tätigkeit ging ihr hart an, doch sie war heilfroh, hier Hilfsmagd zu sein. So hatte sie ein Dach überm Kopf, was zu Essen und Arbeit.
    Nach dem frühen Tod der Eltern, an die sie sich kaum noch erinnerte, war sie zuerst in der Verwandtschaft herumgestoßen worden. Alle taten sie hilfsbereit, aber wirklich gewollt hatte niemand ein zusätzlich zu stopfendes Maul. Schließlich hatte ein Oheim sich um eine Stellung für sie gekümmert, und so war sie schließlich auf diesen Hof gekommen. Das Dorf, in dem sie mit ihren Eltern gelebt hatte, war zwei oder drei Tagesmärsche entfernt. Von der Verwandtschaft hatte sich seitdem niemand mehr sehen lassen. Aber Ursula war zufrieden. Sie hatte ein neues Zuhause und war von den anderen Hofbewohnern gut aufgenommen worden. Ingrid, die Hausherrin, war froh gewesen, ein weiteres Paar Hände zu bekommen, das ihr mit den Kindern und bei der vielen Arbeit auf dem Hof helfen würde. Für sie und Ute, die Magd, war es immer schwieriger geworden, neben der Arbeit auch ihrem jüngsten Kind, der kleinen Magda, gerecht zu werden. Liesel, die erste Tochter, war gerade erst sieben Jahre alt und konnte die Kleine nicht wirklich hüten. Arnulf war mit seinen elf Jahren vernünftiger und umgänglicher, aber es war nicht seine Aufgabe, kleine Kinder zu hüten. Der älteste Sohn, Ludger, war alt genug, um mit Knecht Gernot und seinem Vater auf dem Feld zu arbeiten. Der Bauer selbst hieß Matthes. Er war nicht sehr groß gewachsen. Sein Sohn Ludger überragte ihn bereits um mehr als einen Kopf, doch Matthes’ Gliedern sah man Kraft und die viele Arbeit an.
    Vom Gemüt her war er ein einfacher Mann, meistens schwieg er und pflegte nur dann seine Stimme zu erheben, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Er hasste das Geplapper der Weiber und Kinder, machte dazu meist ein mürrisches Gesicht, so dass er mit seinem dunklen Haar und dem Vollbart recht bedrohlich wirkte.
    Sein Leben war kein leichtes, doch er mochte sich nicht beklagen. Der von den Eltern auf ihn übergegangene Hof brachte genug ein, um zu überleben. Die Hofgemeinschaft, die Tiere und das zu bestellende Land waren überschaubar. Mit den Nachbarn verstand er sich, man half sich gegenseitig, und vom Landesherrn, demgegenüber sie lehensverpflichtet waren, hatten sie seit sehr langer Zeit nichts zu sehen bekommen. Nun, wer nicht kommt und fordert, der braucht wohl auch nichts. Sollte der Herr doch eines Tages sein Lehen fordern, würden sie auch das schaffen.
    Seit über einem Dutzend Sommern war er mit Ingrid verheiratet. Die Eltern hatten sie für ihn ausgesucht. Sie stammte von einem der Nachbarhöfe ab und brachte zwei Äcker mit in die Ehe. In den ersten Jahren waren sie zusammen mit seiner Mutter, dem Knecht und der Magd zu fünft auf dem Hof gewesen. Seither waren die Kinder und Ursula hinzugekommen, und die Zahl der zu stopfenden Mägen hatte sich verdoppelt.
    Ester, die Mutter des Bauern, war schon alt, gebeugt von vielen Jahren und harter Arbeit. Was sie noch
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