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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin
Autoren: Stefan Nowicki
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tun konnte, tat sie, aber viel war das auch nicht mehr. So war Ursula allen willkommen.
    All das Wohlwollen ihr gegenüber erfüllte sie mit Stolz, und die Strenge der Bäuerin nahm sie hin. Es waren harte Zeiten, in denen Ingrid Matthes gegeben worden war. Die Äcker ihrer Eltern gaben einfach nicht mehr her, und so hatte sie sich gefügt, als sich die Eltern nach einem Mann umschauten. Bei Matthes auf dem Hof war sie anfangs nur schwer zurechtgekommen. Sie wusste sich nicht zwischen ihrem Mann und dessen Eltern einzuordnen. Als der alte Bauer beim Holzen von einem Baum erschlagen wurde, übernahm Ingrid die Rolle, die ihr Mann bis dahin innehatte. So war ihr Ton strenger und härter geworden als es ihrem Herz entsprach. Die Geburten der Kinder waren ihr auch nicht leichtgefallen. Zwei Bälger hatte sie bereits im Kindbett verloren. Seit Magda auf der Welt war, gab Ester ihr einen Kräutersud, der eine weitere Schwangerschaft zu verhindern verstand. Davon durfte Matthes aber nichts wissen. Ursula war ihr sehr willkommen, und sie hatte bereits nach wenigen Monaten das Mädchen mit seiner ruhigen, freundlichen Art ins Herz geschlossen. Nur Freude zeigen konnte sie nicht, dass ihr das neue Mitglied der Hofgemeinschaft mit ihrem wachen Verstand die eine oder andere Last abnahm. Zu lange war sie zweiter Bauer gewesen, und die mürrische Art ihres Mannes hatte auf sie abgefärbt. Ursula kam mit allen gut aus, nur die Freundlichkeit Ludgers machte ihr zu schaffen. Zuerst hatte der Jungbauer nur wenig Interesse an ihr gezeigt, doch mit den Jahren und Ursulas Heranwachsen änderte sich dieser Zustand, und Ludger stellte ihr nun schon seit einigen Monaten regelrecht nach. Als Sohn des Hausherrn und künftiger Erbe glaubte der heranwachsende Knabe, sich einiges herausnehmen zu dürfen. War sein Vater Matthes nicht in der Nähe, spielte sich Ludger auf wie der Herr selbst, gab Befehle, drohte und ließ besonders Ursula nach seiner Pfeife tanzen. Selbst der Knecht spurte unwillig, wenn der Knabe etwas sagte. Doch Knecht und Magd wussten sich auch zu wehren, und so war es Ursula, die am meisten unter Ludger zu leiden hatte. Und seit kurzer Zeit ließ es der Jungbauer nicht bei Befehlen und Ordern bleiben, sondern suchte auch immer wieder körperliche Nähe. Ganz unvermutet drängte er sich von hinten an sie oder berührte sie im Vorbeigehen. Und jedes Mal sah er ihr mit einem frechen Grinsen ins Gesicht.
    Ursula war ständig auf der Hut und versuchte, ihm einfach aus dem Weg zu gehen. Vor allem achtete sie aber darauf, nicht allein zu sein, sobald sie ihn in der Nähe wusste.
    Den schweren Eimer mit beiden Händen haltend hatte sie es geschafft, ohne auszugleiten den Hof zu überqueren. Am Gatter zum Schweinekoben holte sie noch mal tief Luft, bevor sie sich in den engen Verschlag bückte. Der Gestank verschlug ihr jedes Mal den Atem. Rasch wollte sie den Eimer in den Trog leeren, an dem bereits die zwei Sauen schmatzend und grunzend auf ihr Fressen warteten, als sie ihn hinter sich spürte. Sie drehte sich um und wollte das Weite suchen, doch er stellte sich ihr in den Weg. Mit niedergeschlagenen Augen raunte sie ihn an: „Lass mich, ich hab’ zu tun.“
    Er rührte sich nicht. Sie wollte sich an ihm vorbeidrücken, aber er machte einen schnellen Schritt zur Seite, und sie prallte gegen seine Brust. Seine kräftigen Hände packten zu, hielten sie an der Hüfte. Er leckte sich über die Lippen. „Langsam, langsam, Mädchen.“ Er langte fester zu, knetete ihr Fleisch. Es tat schon fast weh, und sie fand es ebenso widerlich wie den Geruch der hinter ihr schmatzenden Tiere. Mit zornig blitzenden Augen schaute sie ihm direkt ins Gesicht.
    „Lass los, sonst …“, zischte sie und versuchte sich aus seinem Griff zu winden.
    „Sonst was?“ Kurz ließ er locker. Ursula drehte sich und wollte weglaufen, doch seine Arme schlangen sich von hinten um ihren Leib.
    „Sonst was?“, flüsterte er erneut. „Sonst gehst du wieder zurück in die Gosse?“ Seine Hände grabschten nach ihrer Brust. Mit aller Kraft riss sie sich los, fuhr herum und gab dem Kerl eine kräftige Backpfeife. Dann rannte sie über den Hof und schlich verstohlen zu ihrem Lager. Erst dort merkte sie, wie erhitzt sie war und wie ihr heiße Tränen über die geröteten Wangen liefen. Zurück in die Gosse. Die Worte hallten in ihr nach. Sie machten ihr ihre Stellung als Waise und Hilfsmagd nur zu deutlich. Und jetzt hatte sie den Jungbauern geschlagen. Sie war drauf
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