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Die Kommissarin und der Tote im Fjord

Die Kommissarin und der Tote im Fjord

Titel: Die Kommissarin und der Tote im Fjord
Autoren: Kjell Ola Dahl
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Dronningens Gate einbog. Der Bus war alt, aus den 80er Jahren, und spuckte dicke schwarze Dieselschwaden aus. Gunnarstranda winkte, und der Bus hielt am Straßenrand. Die vordere Tür wurde geöffnet, und Gunnarstranda stieg ein.
    Es war fast niemand an Bord. Nur drei, vier erschöpfte Junkies saßen ganz hinten und aßen ihre Lunchpakete.
    Der Bus fuhr weiter. Gunnarstranda lehnte sich an eine Haltestange und zeigte dem Fahrer seinen Ausweis. Der Mann war in den Vierzigern, hatte langes graues Haar und einen Pferdeschwanz und trug die Uniform der Heilsarmee.
    »Es geht um Nina Stenshagen«, sagte Gunnarstranda.
    »Was ist mit ihr?«
    »Sie ist tot.«
    »Überdosis?«
    Gunnarstranda schüttelte den Kopf. »Sie ist heute Morgen im Tunnel zwischen Tøyen und Grønland unter einen T-Bahnzug geraten. Ich versuche, die Umstände zu klären.«
    »Tja, da können wir Ihnen wohl leider nicht weiterhelfen.«
    »Kannten Sie sie?«
    »Man kennt Leute wie Nina nie wirklich, aber ich weiß, wer sie war. Hab ein paar Mal mit ihr zu tun gehabt.«
    Gunnarstranda hielt sich fest, als die Ampel auf Grün sprang und der Mann Gas gab. »Hatte sie Feinde?«
    »Nina? Kann ich mir kaum vorstellen. Sie hatte genug damit zu tun zu überleben, die Arme. Keine Feinde – wenn sie nicht irgendjemandem den Morgenschuss geklaut hat.«
    Gunnarstranda schaute nach hinten. Einer der Passagiere ließ einen Karton Kakao herumgehen.
    »Ist das wahrscheinlich?«
    »Was?«
    »War Nina der Typ, der anderen Stoff klaut?«
    Der Mann am Steuer lächelte Gunnarstranda an, als sei die Antwort völlig klar.
    »Wissen Sie, mit wem sie unterwegs war?«, fragte Gunnarstranda weiter.
    »Sie hatte einen Freund, Stig. Schon ziemlich lange sogar. Das ist auch eine tragische Geschichte. Irgendwann war Nina mal auf Methadon. Vor fünf, sechs Jahren. Sie hat versucht, rauszukommen. Stig war nie auf Metadon. Also kam es, wie es kommen musste. Warten Sie, ich frag mal nach.« Er drehte sich um und rief nach hinten in den Bus: »Weiß jemand von euch, wo Stig ist, Stig Eriksen, der mit Nina zusammen war?«
    Keiner antwortete. Aber einer von ihnen stand auf und stolperte nach vorn.
    »Ist das alles?«, fragte Gunnarstranda den Fahrer. »Sie hatte einen Freund, hat versucht, rauszukommen, aber sonst? Wie ist sie an der Nadel gelandet? Woher kam sie? Hat sie zum Beispiel Dialekt gesprochen?«
    »Nina war ein Oslomädel.«
    »Und ihre Vergangenheit? Irgendwelche Jobs?«
    Der Fahrer zuckte mit den Schultern. Wieder hielt er vor einer roten Ampel. »Keine Ahnung.«
    »Aber ich weiß es«, sagte der Typ, der sich von hinten zu ihnen nach vorn gesellt hatte. Er war mager und hatte ein runzliges Gesicht. An einen der Sitze gelehnt drehte er sich mit zitternden Händen eine Zigarette.
    Gunnarstranda beobachtete schweigend, wie er die Zigarette zwischen die Lippen schob und den Tabak in die Hosentasche steckte. Rød Miks. Die Marke hatte er früher selbst einmal geraucht.
    »Nina hat bei der T-Bahn gearbeitet«, sagte der Typ. »Als sie noch eine ruhige Hand hatte, hat sie mehrere Jahre lang die Østensjøbahn gefahren. Schichtarbeit natürlich. Ist dochimmer das Gleiche: Sie kriegen Schlafprobleme, fangen an, Pillen zu nehmen, fangen an zu mixen, irgendwann kriegen sie keine Rezepte mehr. Tja, und dann müssen sie die Pillen auf der Straße kaufen. Und am Ende landen sie bei uns.« Er grinste und entblößte eine Reihe dunkler Zahnstummel im Unterkiefer. »So schief kann es laufen.«
    Der Fahrer öffnete ihm die Tür, und der Mann sprang hinaus. »Passt auf eure Kinder auf«, rief er Gunnarstranda und dem Fahrer zu und verschwand.
11
    Es war so kalt, dass der Winterdienst kein Salz streuen konnte. Leichter Schnee, der sich mit älterer, gefrorener Salzlake mischte, machte die Fahrbahn auf dem Drammensveien glatt und rutschig. Lena fuhr vorsichtig und blieb den ganzen Weg stadtauswärts auf der rechten Spur. Der Schnee lag grau und braun am Straßenrand. Bei Lysaker bog sie ab. Je weiter sie nach Bærum hineinfuhr, umso sauberer und weißer wurde der Schnee.
    Die Straßenlaternen entlang des von Villen gesäumten Weges tauchten die Landschaft in ein dunkelgelbes Licht. Lena parkte vor einem Schneewall am Straßenrand.
    Das Haus, in dem Aud Helen Vestgård und ihre Familie wohnten, thronte wie eine Burg ein paar Meter hinter dem Maschendrahtzaun im Winterdunkel. Alle Fenster waren erleuchtet, aber kein Bewohner war zu sehen.
    Lena hatte den Zeitpunkt mit Bedacht gewählt. Die
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