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Die Knickerbocker Bande 30 - Im Reich des Geisterzaren

Die Knickerbocker Bande 30 - Im Reich des Geisterzaren

Titel: Die Knickerbocker Bande 30 - Im Reich des Geisterzaren
Autoren: Thomas Brezina
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nicht um billigen Theaternebel, sondern um Wolken, die ein eigenes Leben zu haben schienen. Sie wogten und wallten, als würde es in ihnen kochen. Blitze zuckten und überzogen den Raum mit einem gleißenden Netz. Die Leute duckten sich erschrocken. Der Geisterzar brach in schallendes Gelächter aus und streckte die Finger wie Spinnenbeine aus. Er machte weit ausholende beschwörende Bewegungen mit den Armen und schien etwas aus den Gewitterwolken zu ziehen. Es handelte sich um weiße Wesen, die nur aus einem faltigen Kopf und zwei toten schwarzen Augenhöhlen bestanden. Hinter dem Hals folgte ein wehendes Gewand, das aber weder einen Körper noch Arme oder Beine erkennen ließ. Diese Gestalten rasten wie Kometen von oben auf das Publikum herab und schlängelten sich geschickt um die Köpfe der Damen und Herren. Die Menschen schrien vor Angst, als die weißen Nebel nur wenige Zentimeter von ihren Gesichtern entfernt auftauchten und sie umschwirrten und beglotzten. Einige Leute fuchtelten mit den Händen, als wollten sie Fliegen verscheuchen, aber sie bekamen die weißen Geister nicht zu fassen, griffen immer nur in die Luft.
    Einige der Gespenster näherten sich auch Axel und wirbelten um seinen Kopf. Der Knickerbocker saß stocksteif auf seinem Sitz und wagte nicht, sich zu bewegen. Er beugte sich immer weiter nach hinten, um den Geistern auszuweichen. Poppi beobachtete nun etwas äußerst Rätselhaftes. Die weißen Wesen kamen aus allen Winkeln des Theatersaales, vereinigten sich und steuerten auf ihren Kumpel zu. Er schien sie wie ein Magnet anzuziehen. Bald hatte sich eine weiße Traube rund um ihn gebildet. „Weg... haut ab... verschwindet... laßt mich!“ kreischte Axel. Die weißen Wesen hatten aufgehört, um den Kopf des Jungen zu fliegen, und umschlossen ihn nun wie eine Blase. Gebannt verfolgten die Zuschauer die Ereignisse.
    Der Geisterzar hatte seine Spinnenfinger auf die Spukgestalten gerichtet und begann am ganzen Körper zu beben. Er schien sich überaus anzustrengen und die Geister emporheben zu wollen. Langsam, sehr langsam stieg die weiße Wolke in die Höhe. Einen Meter, noch einen Meter und schließlich einen dritten. „Axel... Axel... sie tragen Axel fort!“ brüllte Poppi. Ein Scheinwerfer flammte auf, und der Lichtkreis fiel auf den leeren Platz des Jungen. Die Gespenster hatten sich in eine undurchsichtige Riesenseifenblase verwandelt, die den Knickerbocker zur Bühne zu tragen schien. Immer wieder tauchte ein Arm oder ein Bein von Axel aus der weißen Hülle, verschwand aber schnell wieder. An den Bewegungen der Arme und Beine konnte Poppi erkennen, daß ihr Freund sich wehrte. Er ließ den Spuk nicht einfach mit sich geschehen. Bestimmt hatte er grauenhafte Angst. Aber wie war es überhaupt möglich, daß er plötzlich flog? Wie schafften es die Geister, den Jungen durch die Luft zu befördern?
    Aus dem Mund des Geisterzaren kam ein Gurgeln, das immer lauter und lauter wurde. Der Riese auf der Bühne schien fast am Ende seiner Kräfte, als er nun die Gespenster zu sich lenkte. Schließlich hatte die weiße Kugel den Platz erreicht, wo der Zar stand, und zerbarst in tausend weiße Stücke. Ein grelles Licht ließ jeden im Saal erschrocken die Augen schließen. Sobald man wieder wagte, die Augen zu öffnen, sah man auf der Bühne nicht Axel, sondern einen erwachsenen Mann. Er war stämmig und hatte ein rundes, rotwangiges Gesicht und einen buschigen Bart, der ihn wie ein Walroß aussehen ließ.
    Poppi sprang auf und rief: „Das ist der... der von vorhin... der auf der Straße... der uns die Karten geschenkt hat!“ Aber keiner hörte auf das Mädchen. Die Worte gingen in dem tosenden Applaus unter, der sich erhoben hatte. „Irre, der Geisterzar hat den Jungen in der Kugel altern lassen. Also ich möchte nicht so aussehen, wenn ich einmal fünfzig bin!“ sagte ein Mann neben Poppi. „He, Kleine, setz dich!“ zischte es hinter ihr. Völlig fassungslos und zitternd ließ sich das jüngste Mitglied der Knickerbocker-Bande auf seinen Sessel fallen.
    Der Walroßmann auf der Bühne tat sehr verlegen, klopfte sich ab, kontrollierte, ob noch alles an ihm dran war, und marschierte kopfschüttelnd zu Axels Platz. Als wäre er schon immer dort gesessen, ließ er sich auf die Sitzfläche fallen und verschränkte die Beine. Poppi konnte sich nicht beruhigen. Wie... wie war das möglich? Wo war Axel?
    Im Saal wurde es abermals dunkel, und ein neuer Spuk begann. Der durchscheinende Geisterzar
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