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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik
Autoren: Noah Gordon
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Begräbnis, das ihr die Versicherung »Söhne Italiens« nur bieten konnte, aber ganz verließ sie ihn nie. Jahre später, als er Arzt und Chirurg geworden war und Dinge getan und gesehen hatte, die sie sich in Petruro oder selbst in East Liberty nie hätte träumen lassen, war seine erste Reaktion auf ein Mißgeschick eine spontane unterbewußte Suche nach dem Harlekin. Wenn er eine Hand in der Tasche hatte, machten die Finger unwillkürlich das Zeichen der Hörner. Sein Vater und seine Großmutter hatten ihn in einem unaufhörlichen inneren Konflikt hinterlassen: Scheiße, spottete der Wissenschaftler, während der kleine Junge flüsterte: Scutta mal occhio, pf, pf, pf.
    Nun packte er in der Herrentoilette des Speisehauses seine Toilettesachen ein. Wie ein ungeschickter Wasservogel, zuerst das eine, dann das andere Bein hochgezogen, um seine Kleider nicht durch den Schmutz des unerquicklichen Fußbodens zu gefährden, zog er die Blue jeans und das blaue Arbeitshemd aus. Das Hemd und der Anzug, die er aus dem Koffer grub, waren etwas zerknittert, aber präsentabel. Die Krawatte sah bei weitem nicht mehr so gut aus wie vor achtzehn Monaten, als er sie aus zweiter Hand »neu« erstanden hatte, von einem Studenten aus dem dritten Studienjahr, der ein schlechter Pokerspieler war. Die dunklen Schuhe, die er gegen die Turnschuhe austauschte, glänzten noch immer, schön.
    Als er durch den Speisesaal zurück und hinausging, starrte ihn die Kuh hinter der Theke an, als versuchte sie sich zu erinnern, wo sie ihn schon einmal gesehen hatte.
    Draußen war es heller geworden. Am Randstein summte ein Taxi ein ruhiges mechanisches Lied, der Chauffeur saß verloren hinter der Wettliste und träumte den ewigen Traum vom Höchstgewinn. Adam fragte ihn, ob das Sufffolk County General Hospital zu Fuß zu erreichen sei.
    »Das Allgemeine Krankenhaus? Sicher.«
    »Wie komme ich hin?«
    Ein schnelles Grinsen spaltete die Lippen des Taxichauffeurs. »Auf die schwere Tour. Quer durch die ganze verdammte Stadt. Zu früh für einen Bus, nirgendwo in der Nähe eine Untergrundbahn.« Der Mann legte die Wettliste hin, überzeugt, daß eine Fahrt herausschaute.
    Wieviel steckte in seiner Brieftasche? Weniger als zehn Dollar, wußte Adam. Acht, neun. Und noch ein Monat bis zum Zahltag.
    »Fahren Sie mich für einen Dollar?« Ein angewiderter Blick.
    Adam hob den Koffer auf und ging die Straße hinunter. Er kam bis zu »Benj. Moretti & Sons Produce«, als das Taxi an ihm vorbeifuhr und anhielt.
    »Steigen Sie hinten ein«, sagte der Taxilenker. »Ich schau den ganzen Weg nach einem Fahrgast aus. Wenn ich einen andern aufgable, steigen Sie aus. Für einen Dollar.«
    Dankbar kletterte Adam hinein. Das Taxi kroch durch die Straßen, er blickte aus dem offenen Fenster und ahnte, was für ein Krankenhaus es sein würde. Die Straßen waren alt und traurig, gesäumt von Miethäusern mit zerbrochenen Stufen und überquellenden Mülleimern, Armeleutgegenden, in denen die Menschen in äußerster Armut zusammengepfercht waren. Es würde ein Krankenhaus sein, wo die Bänke seiner Ambulanz allmorgendlich von den Kranken und Verstümmelten besetzt sein würden, die in die selbstgebauten Fallen der Gesellschaft geraten waren.
    Unangenehm für euch, sagte er stumm zu den schlafenden Opfern hinter ausdruckslosen Fenstern, als das Taxi vorbeirollte. Aber gut für mich, ein Lehrhospital, wo ich vielleicht Chirurgie erlernen kann.
    Der Krankenhauskomplex ragte wie ein Monolith in das frühe Morgenlicht; große Parklampen leuchteten noch immer gelb um das leere Geviert des Hofs für die Krankenwagen.
    Die Eingangshalle war düster und altmodisch. Ein ältlicher Mann mit hängenden verrunzelten Wangen und unwahrscheinlich pechschwarzem Haar saß hinter dem Empfangstisch. Adam sah in dem Brief nach, den er vor vier Wochen vom Verwalter erhalten hatte, und fragte dann nach dem Fellow der Chirurgie, Dr. Meomartino. Ah, Italiener in aller Welt, wir sind überall.
    Der Mann sah in einem Telephonverzeichnis des Krankenhauses nach. »Vierte chirurgische Station. Vielleicht schläft er noch«, sagte er zweifelnd. »Soll ich ihn anläuten?«
    »Gott, nein.« Er dankte ihm und ging hinaus. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite brannte grelles Licht in einem Kaffeehaus, und als er darauf zuging, konnte er einen kleinen dunklen Mann hinter der Theke sehen, der eben Wasser in die Kaffeemaschine zugoß; die Tür war jedoch versperrt, und der kleine Mann blickte nicht auf, als
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