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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik
Autoren: Noah Gordon
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Rampe und plötzlich waren erleuchtete Lagerhausfenster da, Lastwagen, Personenwagen, Leute, ein Marktbezirk. Der Fahrer lenkte den Lastwagen eine kopfsteingepflasterte Straße hinunter, an einem Speisehaus vorbei, dessen Neonlicht noch immer blitzte, dann eine zweite lange, kopfsteingepflasterte Straße hinauf, und blieb vor »Benj. Moretti & Sons Produce« stehen. Auf sein Hupen hin trat ein Mann ins Freie und blickte von der Laderampe nach ihnen aus. Fleischig und mit beginnender Glatze sah. er in seinem weißen Arbeitskittel einem der Pathologen vom Krankenhaus in Georgia ähnlich, wo Adam seine Spitalspraxis und das erste Jahr seiner fachärztlichen Ausbildung absolviert hatte. Eh, paysan.
    »Was bringst du?«
    Der Fahrer rülpste, als würde ein Teppich zerrissen.
    »Melonen. Zitronen.« Der Mann in Weiß nickte und verschwand.
    »Endstation, Kleiner.« Der Fahrer öffnete die Tür und kletterte schwerfällig aus der Fahrerkabine.
    Adam griff hinter den Sitz, nahm den abgewetzten billigen Koffer und sprang zu dem Mann auf die Straße hinunter. »Kann ich Ihnen abladen helfen?«
    Der Fahrer sah ihn finster und mißtrauisch an. »Das tun die«, sagte er, mit dem Kopf zum Lagerhaus deutend.
    »Wenn du einen Job haben willst, frag’ sie.«
    Adam hatte das Angebot aus Dankbarkeit gemacht, sah jedoch erleichtert, daß es unnötig war. »Danke fürs Mitnehmen«, sagte er.
    »Schon recht.«
    Er ging die Straße hinunter, bis zum Speisehaus, mühte sich mit dem Koffer ab, ein kleiner O-beiniger Mann, zu groß für einen Jockey, zu schwach für die meisten Sportarten, außer für Tauchen, das seit fünf Jahren für ihn kein Sport mehr war. In solchen Momenten bedauerte er, den muskulösen Brüdern seiner Mutter nicht ähnlicher zu sein. Er haßte es, der Gnade eines Menschen ausgeliefert oder von irgend etwas abhängig zu sein, einschließlich eines Gepäckstückes.
    Aus dem Speisehaus kamen verlockende Düfte und der geschäftige Lärm billiger Restaurants: Reden und Lachen, das hohle Geklapper von Kochgeschirr drang durch das kleine Fenster zur Küche, das massive Geräusch von Kaffeekannen, die auf die weiße Marmortheke gestellt wurden, das Zischen von Dingen, die am Grill brutzelten. Teure Dinge, entschied er.
    »Kaffee, schwarz.«
    »Erst zahlen«, sagte das strohhaarige Mädchen. Sie war voll entwickelt, von festem Fleisch, mit einer blassen, milchigen Haut, und würde mit dem Problem der Fettleibigkeit zu kämpfen haben, bevor sie noch dreißig war. Unter der weißbeschürzten linken Brust stachen zwei parallele Schmutzstreifen wie Stigmata hervor.
    Der Kaffee schwappte über den Rand der Kanne, als sie ihn Adam zuschob; sie nahm sein Zehncentstück mürrisch entgegen und wandte sich mit einem beleidigenden Hüftschwung ab.
    Muh.
    Der Kaffee war sehr heiß, und er trank ihn langsam, wagte hie und da sehr mutig einen größeren Schluck und hatte ein siegreiches Gefühl, daß er sich die Zunge nicht verbrannt hatte. Die Wand hinter der Theke war mit Spiegeln verkleidet, aus denen ihn ein Landstreicher anstarrte, stoppelbärtig, zerrauft, in einem verschmutzten, abgetragenen blauen Arbeitshemd. Als er den Kaffee ausgetrunken hatte, stand er auf und trug den Koffer in die Herrentoilette. Er drehte versuchsweise die Wasserhähne auf, aus beiden kam aber nur kaltes Wasser, was Adam nicht überraschte. Er ging in den Speisesaal zurück und bat das Mädchen um eine Tasse heißes Wasser.
    »Für Suppe oder für Tee?«
    »Einfach nur Wasser.«
    Sie ignorierte ihn mit einer Miene langmütigen Widerwillens. Schließlich gab er nach und bestellte Tee. Als er ihn erhielt, bezahlte er, nahm den Teebeutel aus der Tasse und ließ ihn auf die Theke fallen. Er trug die Tasse in die Herrentoilette. Der Boden war mit Schichten von Sand und, dem Geruch nach zu urteilen, eingetrocknetem Urin bedeckt. Adam stellte die Tasse auf den Rand des schmutzigen Waschbeckens, balancierte den Koffer auf dem Heizkörper und öffnete ihn, um seine Toilettesachen herauszunehmen. Indem er kaltes Wasser in der hohlen Hand auffing und heißes aus der Tasse hinzufügte, gelang es ihm, seinen Bart einzuseifen und sich das Gesicht mit dem Wasser genügend warm zu spülen, um die Stoppeln aufzuweichen. Als er mit dem Rasieren fertig war, sah das Gesicht, das ihn aus dem fleckigen Spiegel anblickte, schon zivilisierter aus. Dr. Silverstone. Braune Augen. Eine große Nase, die er gern für römisch hielt, an sich nicht extrem groß, aber doch durch seine
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