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Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)

Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)

Titel: Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)
Autoren: Ralf Husmann , Sonja Schönemann
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Hospitalismus war oder ein Spätstadium von Tanzen. Mitteleuropäische Männer sollen nicht tanzen. Da dürfen Südeuropäer sogar noch eher Staatshaushalte verwalten, Amerikaner Kochbücher schreiben und Japaner jodeln. Wenn der Deutsche tanzt, sieht es immer so aus, als würde er einfach nur falsch marschieren. Ich hoffte jedenfalls inständig, einer von den wippenden Wandhaltern würde umfallen und ein Stück Wand freimachen. Mein Rücken war schwer anlehnungsbedürftig. Die Plakate an den Wänden bewarben künftige Konzerte, und ich kannte keine der Bands. Nicht eine. Nie gehört. Ein junger Bursche kam vorbei, trug zottelige Haare und einen Parka. Einen Parka! Wie die Mods in Quadrophenia, nur in Braun, gefüttert und uncool, und ich dachte, wo hat der Typ denn seine Zeitmaschine geparkt, bis wenige Minuten später ein zweiter Zottel mit Parka vorbeikam, und dann noch einer. Parkazottel schienen jetzt hip zu sein. Ich kam mir vor wie Benjamin Button, nur umgekehrt: Ich alterte!!
    Die Musik war jetzt tatsächlich laut. Nebel waberte. Der gesamte Laden wurde in rotes Licht getaucht. Ich versuchte mich mit meinem Nebenmann über die Parkazottel lustig zu machen, aber er kannte Quadrophenia nur von seinem Vater. Es war gruselig, es war der Horror. Vermutlich spielten da vorn die Stephen Kings of Leon . Ich war mir sicher, nach dem Konzert würde ich den Gürtel über dem Bauchnabel tragen, gesunde Schuhe aus Wildleder und eine beige Übergangsjacke. Ich würde den ZDF-Fernsehgarten gucken, wandern wollen und von früher schwärmen.
    Jungs können sich ihre Väter nie als Jugendliche vorstellen. Und Männer denken nie darüber nach, dass sie eines Tages selbst aufhören, jung zu sein. Zumindest körperlich. Das ist der Mick Jagger in uns. Ich wusste, während ich noch auf einem Rockkonzert stehe, baut man mir zu Hause bereits einen Treppenlift in die Bude.
    Dann kam Ramona verschwitzt auf mich zu und schrie mir ins Ohr, warum ich denn so verdattert aussähe. »Der kleine Rainer möchte bitte aus dem Rentnerparadies abgeholt werden!«, schrie ich zurück. Ramona lachte, wofür ich ihr sehr dankbar war. Sie habe genug gehört, schrie sie, und meinte Gott sei Dank die Band. Etwas später saßen wir. Im Auto. Der Spuk war vorbei. Ich konnte schon fast über mich selbst lachen. Wie ich es denn gefunden hätte, fragte Ramona. Ich sagte irgendwas und hörte mich erst im Nachhinein. Wir könnten ja demnächst auch mal in die Philharmonie gehen, sagte ich offenbar, die sei nämlich bestuhlt.

Ich kann mit Musik nichts anfangen. Musik und Hunde unterteile ich in zwei Kategorien: »stört« und »stört nicht«. Freiwillig kommt mir beides nur selten ins Haus.
    Als Teenager habe ich natürlich auch auf Partys zu Musik getanzt, aber damals habe ich auch hinterm Schulhof geraucht und mit Edding Anarchie-Zeichen auf meinen Rucksack gemalt. Das gehörte einfach dazu, alle haben das gemacht, und als ich erwachsen wurde, beschloss ich, das mit dem Rauchen, der Anarchie und dem Tanzen lieber zu lassen.
    Mir ist bewusst, dass das eine ziemlich unpopuläre Aussage für eine Frau ist. Frauen sind ja für bestimmte Musik die Hauptzielgruppe. Eine ganze Menge sogenannter schlechter Musiker wären arbeitslos, wenn es keine Frauen gäbe. Kuschelrock zum Beispiel ist so was wie Eierlikör für die Ohren, also ein reines Frauenthema. Aber ich brauche keine Musik. Weder im Supermarkt noch in Fahrstühlen oder beim Joggen. Das ist meine extrem unpopuläre Wahrheit. Und unpopuläre Wahrheiten sind nichts für Männer. Die kommen damit nicht klar. Deswegen hatte ich Rainer ganz am Anfang unserer Beziehung nur mitgeteilt, dass Musik »nicht so meins« ist. Er hatte das für sich so abgespeichert, dass ich keinen Musikgeschmack habe, aber mir war es recht, solange er mich nur nicht auf Konzerte schleppte. Konzerte sind für mich der absolute Horror. Es ist voll, es ist laut, und nach einer Stunde stinken alle, weil irgendwann auch der größte Grobmotoriker meint, er könne tanzen.
    In diesem Fall hatte ich allerdings keine Wahl, weil meine älteste Freundin Birgit und ein paar Leute aus meiner Heimatstadt schon vor Monaten angekündigt hatten, dass an diesem Abend The Cambricks spielen würden. »Unsere Band, Ramona, da müssen wir hin! Die haben wir schon gesehen, als die noch gar nicht bekannt waren!« Für mich war die Band auch jetzt noch völlig unbekannt. Leider konnte ich mich aus der Nummer nicht so einfach rausreden, denn ich hatte keinem
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