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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
Autoren: James Barclay
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um.
    »Habt Ihr etwas zu sagen, Kanzlerin?«
    »Er wird das Haus durch seine Gegenwart entweihen. Genau wie ihr alle.«
    Einen Herzschlag lang hatte Vasselis Lust, sie einfach niederzustrecken. Das Zucken seines Schwertarms entging ihr nicht.
    »Nein«, sagte er, ebenso zu sich selbst wie zu ihr. »Denn dann wäre ich ein gewöhnlicher Mörder wie Ihr.« Er nickte in Kessians Richtung. »All das im Namen Gottes? Ihr habt ihn ebenso zielsicher ermordet, als hättet Ihr ihm ein Messer ins Herz gestoßen. Ich habe diesen Mann geliebt. Er und Genna sind meine ältesten Freunde. Ich kann jeden, der da auf dem Forum liegt, beim Namen nennen. Es waren friedliche, treu ergebene Bürger.« Er hob die Stimme. »Was habt Ihr nur getan?«
    Koroyan starrte ihn an, als wäre er ein Schwachsinniger. »Ich habe Ketzerei entdeckt und Gerechtigkeit geübt«, sagte sie.
    »Das ist ein Wort, das zu benutzen Euch nicht zusteht.« Vasselis schüttelte den Kopf. Es fiel ihm schwer, die Gefühle im Zaum zu halten, die in ihm tobten. Auf einer Seite lag Kessian, auf der anderen Elsa. Beide waren tot. »Soll ich Euch über das Forum führen? Soll ich Euch den tundarranischen Tuchhändler zeigen, der dort tot liegt?«
    »Manchmal müssen zum Wohle eines höheren Guts auch Unschuldige sterben.«
    »Euer Gott soll Euch verdammen, Kanzlerin Koroyan, wer er auch ist. Hier ist jeder unschuldig.«
    »Nein, Marschall, das trifft nicht zu. Ich habe die Wahrheit durch Geständnis und Gebet herausgefunden, bis Ihr Euch eingemischt habt. All dieses Blut klebt an Euren Händen. Ihr solltet in Cirandon sein und die letzten Tage Eurer Befehlsgewalt genießen.«
    »Ja, Ihr habt wohl nicht damit gerechnet, dass ich hier auftauche, was? Ihr solltet längst wissen, dass ich Eure Spione grundsätzlich nicht in alle meine Pläne einweihe. Wisst Ihr, was mir wirklich zu schaffen macht? Es ist die Tatsache, dass Ihr glaubt, Ihr könntet damit durchkommen. Ihr habt keinerlei Befugnis der Advokatin. Eure Handlungen sind nicht rechtmäßig, und all Euer Geschwätz über die Heiligkeit des Ordens wird Euch dieses Mal nicht retten.
    Ich würde Euch selbst in Haft nehmen, aber vielleicht interessiert Euch zu erfahren, dass Hauptmann Harkov mit zweihundert Leviumkämpfern und Soldaten der Palastwache hierher unterwegs ist. So kann ich Euch und Eure Schläger gleich ihm übergeben. Er müsste im Laufe des Tages eintreffen.«
    Koroyan kicherte. »Wie wenig Ihr doch über das Wirken der Advokatur wisst, Marschall Vasselis. Er kommt nicht her, um Euch vor mir zu beschützen. Er kommt, um Euch zu verhaften. Ich bin lediglich vor ihm hier eingetroffen. Am Ende werde ich siegen.«
    Vasselis sah in ihren Augen, dass sie zum ersten Mal, seit ihre Unterhaltung begonnen hatte, die schlichte Wahrheit sprach.

 
39

     
    848. Zyklus Gottes, 25. Tag des Solasauf
    15. Jahr des wahren Aufstiegs
     
    O ssacer und Mirron wollten überhaupt nicht mehr mit Weinen aufhören. Die Sonnenhitze brannte auf sie herab und hatte sie rasch getrocknet, nachdem sie in Kovans Boot geklettert waren, aber sie schauderten alle. Arducius hielt Ossacer fest, Gorian kümmerte sich um Mirron, und alle starrten einander an oder blickten nach Westfallen zurück, das hinter ihnen allmählich am Horizont verschwand. Abgesehen von einigen ermunternden Bemerkungen und Dankesworten, als sie das Wasser verließen, hatten sie kein Wort gesprochen. Auch jetzt waren nur das Schluchzen, das Plätschern der Wellen und das Knattern des Windes im straff gespannten Segel zu hören.
    Kovan überließ sie vorerst sich selbst. Er war so blass und verängstigt wie die anderen. Die Last dieser plötzlichen, unerwarteten Verantwortung bedrückte ihn, während sein Blick staunend zu den Aufgestiegenen wanderte. Dennoch führte er sicher die Ruderpinne und lenkte das Boot in einem weiten Bogen in die Bucht hinaus zum breiten Kanal, der schließlich ins offene Meer mündete. Da draußen wartete irgendwo eine Galeere auf sie, die ebenso für diesen Notfall wie als Schutz für die Genastrobucht ständig dort lag. Allerdings war die Besatzung nicht über die Ankunft der Aufgestiegenen unterrichtet.
    Sie hatten sich an den Genastrofällen versteckt, bis sie Kovans Boot an der Oberfläche spürten. Gorian hatte den Delfin gerufen, der neben ihnen schwamm, immer ein Auge auf sie gerichtet und ängstlich schnatternd.
    Nun erhoben sich vor ihnen dunkel und drohend die mehrere Hundert Fuß hohen Klippen zu beiden Seiten des Kanals. Seevögel
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