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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition)
Autoren: Helmut W. Pesch
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seltsam verdrehte Gruppe von drei tannenähnlichen Bäumen, ineinander gelehnt, sodass sie fast wie ein einziger wirkten, markierte die Abzweigung. Der Ort bestand, wie es schien, nur aus einer Hand voll alter, steingemauerter Gebäude mit tief liegenden Fenstern und gedeckt mit Ried, einer Kirche, die ihren massiven Turm nur wenig über die Giebel reckte, und einer schlossartigen Anlage, bestehend aus einem niedrigen Bau mit zwei ausladenden Seitenflügeln, der sich an die umgebenden Hügel schmiegte.
    »Ist das unser Hotel?«, konnte sich Gunhilds Mutter nicht enthalten zu fragen.
    »Da steht es doch.« Der Vater war durch die lange Fahrt und die Sucherei am Ende sichtlich genervt. »›Foxcombe Country Hotel‹. Kannst du nicht lesen?«
    »Das wäre jetzt nicht nötig gewesen!«, meinte Gunhilds Mutter.
    Gunhild seufzte, sagte aber nichts. Während der Wagen langsam über den Kies in den Hof einrollte, bis er vor der Hauptfront des Hotels zu stehen kam, ließ sie ihre Blicke über die Umgebung schweifen. Das Gebäude zur Rechten enthielt wohl die Gästezimmer, verborgen hinter einer Reihe von zweigeteilten Fenstern mit weiß lackierten Rahmen. Es sah irgendwie recht putzig aus. Im Flügel zur Linken befand sich eine Art Kneipe – ein Pub, verbesserte sie sich. Licht drang heraus und Fetzen von Musik. Ein altes, handbemaltes Schild hing davor an einer Stange und schwankte leise im Wind. Gunhild kniff die Augen zusammen, um lesen zu können, was darauf stand:
    THE GREEN MAN.
    Der Grüne Mann.
    Panik erfasste sie. Sie hatte das Gefühl, als müsste sie ersticken. Die Stimme, die sie gehört hatte, klang noch laut und deutlich in ihrem Ohr, hallte in ihrem Kopf wider.
    »Nimm dich in Acht vor dem Grünen Mann … vor dem Grünen Mann … dem Grünen Mann … «
    Sie riss die Wagentür auf. Mit vom langen Sitzen steif gewordenen Beinen taumelte sie ins Freie. »Warte, Gunhild, warte!«, hörte sie ihren Vater rufen und ihre Mutter: »Wir kommen doch!« Sie lief auf das Haupthaus zu. Der Himmel, so hoch und weit er erschien, lastete wie eine gläserne Glocke auf ihr. Irgendwo musste es Sicherheit geben vor der drohenden Gefahr, die sie von allen Seiten bedrängte.
    Was danach geschah, bekam sie alles gar nicht so richtig mit. Weder die freundliche Begrüßung der Wirtsfrau noch, wie der Wirt – oder war es ein Knecht, denn dieses Landhotel schien halb Gasthaus und halb Bauernhof zu sein – ihnen half, die Koffer zu den Gästezimmern zu schleppen. Sie kam erst wieder zu sich, als sie in ihrem Zimmer auf der gesteppten Bettdecke saß und ihre Mutter zur Tür hereinkam.
    »Na, gefällt es dir? Soll ich dir helfen auszupacken?«
    Gunhild blickte auf. Der Raum war klein, mit weiß getünchten Wänden und einem massiven, holzgeschnitzten Schrank, dazu ein Stuhl und ein kleiner Tisch. Auf einer Anrichte mit gedrehten Füßen stand eine Flasche mit Mineralwasser und ein Glas. Das einzige Fenster ging nicht auf den Innenhof, sondern auf die Hügel hinaus. Durch das Buschwerk war nicht viel zu erkennen.
    Kein großer Komfort, aber es war zumindest ein Zimmer für sie allein. Mit siebzehn war sie Gott sei Dank zu alt, um noch auf dem Beistellbett im Zimmer der Eltern zu schlafen. Tatsächlich war der Raum größer als ihr Zimmer zu Hause. Dennoch kam es ihr eng vor.
    »Lass nur«, sagte sie. »Ich pack später aus.«
    »Du bist ja ganz blass, Kind.« Die Stimme ihrer Mutter klang besorgt. »Vielleicht solltest du dich ein bisschen hinlegen. Vater hat sich auch hingelegt. Es war eine lange Fahrt.«
    »Es ist stickig hier drin.« Gunhild wusste, dass sie quengelig klang, aber sie konnte nichts dagegen tun. Sie fühlte sich einfach nicht wohl.
    Ihre Mutter war bereits zum Fenster getreten und mühte sich damit ab, aber es gelang ihr nicht, den Widerstand des mit vielen Farbschichten bedeckten Rahmens zu brechen. Schließlich zeigte Gunhild ihr, wie es ging: die beiden Haken im Rahmen umlegen und das Fenster hochschieben. Frische, süße Luft drang herein. Unwillkürlich atmete sie auf.
    »Ich glaub, ich geh noch ein bisschen raus«, sagte sie.
    »Aber nicht zu weit, ja? In einer Stunde gibt es Abendessen. Sieh zu, dass du dann wieder da bist.«
    »Zum Abendessen bin ich bestimmt wieder zurück.«
    Doch schon während sie es sagte, schlichen sich Zweifel in ihr Herz.
    Sie versuchte, die unheimliche Vorahnung abzuschütteln, die sie befallen hatte. Vielleicht sollte sie wirklich im Zimmer bleiben, sich ein wenig hinlegen. Aber die
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