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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition)
Autoren: Helmut W. Pesch
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in ihre Hand wie ein lebendiges Wesen, pulsierend von Wärme. Sie wusste, dass eine Macht darin lag, die sie nicht ergründen konnte und die ihr nicht gehorchte, aber ihr schon oft geholfen hatte. So wie auch jetzt.
    Etwas zerriss, und sie war frei.
    Sie taumelte hinein in den Steinkreis. Der Widerstand, der sie gefangen gehalten hatte, war so plötzlich in sich zusammengebrochen, dass sie fast gestürzt wäre. Sie stolperte und musste sich mit den Händen abstützen.
    Als sie den Blick wieder hob, hatte die ganze Welt sich verändert.
    Es war unnatürlich still. Kein Vogel sang, kein Tier raschelte im Gebüsch, kein Insekt summte. Und selbst der Wind, der über den Hügel strich, schien verstummt zu sein.
    Dafür glühten die Steine ringsum in einem fahlen Feuer. Nebel war aufgekommen, von irgendwoher, wand sich in dünnen Schlieren um den Fuß der mächtigen Felsen. Fäden aus Licht spielten um ihre Ränder, knisterten an den Spitzen, woben ein flackerndes Netz von Stern zu Stein. Das weiße Rauschen, das von den tanzenden Lichtfäden ausging, blendete alle anderen Geräusche aus. Ein eigentümlicher, säuerlicher Geruch lag in der Luft, wie von feuchter Wolle, so durchdringend, dass man ihn schmecken konnte.
    Gunhild spürte, wie die Härchen auf ihren Armen sich aufrichteten. Die elektrische Spannung, die die stehenden Steine umgab, musste immens sein.
    Sie wandte den Kopf. Wenn schon die Wächtersteine ringsum vor Energie knisterten, was musste dann erst mit dem riesigen Menhir in der Mitte geschehen sein?
    Der Stein, der zur Seite geneigt gewesen war, stand nun aufrecht da. Ihn auch nur zu bewegen, hätte die Kraft eines halben Dutzends starker Männer erfordert; ein einzelner oder auch zwei oder drei hätten dazu nicht ausgereicht. Doch er stand aufrecht, fest und unverrückbar, als wäre es nie anders gewesen. Die Flechten und Moose, die ihn bedeckt hatten, waren verschwunden. Dafür waren die Verzierungen und Ornamente auf seiner Oberfläche nun nicht mehr verwittert, vom Wind und Regen ausgewaschen, sondern scharf und klar, und sie leuchteten wie aus einem inneren Feuer.
    Es waren Linien, die sich zu Spiralen drehten und ineinander verschlangen. Wenn der Blick ihnen zu weit folgte, wanden sie sich außer Sicht, aber es schien, als bildeten sie ein einziges, nahtloses Band, das sich wie eine Schlange ohne Anfang und Ende um das zentrale Motiv in der Mitte des Steines legte.
    Die Zeichnung war, nach den Maßstäben der klassischen Kunst, primitiv, doch von einer urtümlichen Kraft. Weiß hob sie sich von dem umgebenden Grau der Steinoberfläche ab. Sie stellte ein Tier dar, das sich in seinen Fesseln aufbäumte, und wenn man die Augen zukniff, war es fast, als ob es lebte und sich bewegte.
    Vor dem zentralen Stein befand sich eine Art Tisch oder Altar, der vorher nicht da gewesen war. Zumindest konnte sich Gunhild nicht daran erinnern, etwas dergleichen gesehen zu haben. Davor war im Boden eine Platte eingelassen, die zwei Vertiefungen zeigte. Fußabdrücke, wie es schien. Hier musste einst der Hohe Priester – oder die Priesterin – gestanden haben, um das Ritual zu vollziehen. Welches Opfer mochte man hier wohl dargebracht haben? Gunhild schauderte bei dem Gedanken.
    Doch es war nicht nur der Gedanke, der sie schaudern ließ. Es war der Brandgeruch, der in der Luft lag.
    Die elektrischen Entladungen hatten auf das verdorrte Farnkraut und das Dornengestrüpp am Boden übergegriffen. Es war wie ein Funke, der in trockenen Zunder einschlägt. Flammen züngelten auf, fraßen sich knackend von Dorn zu Dorn weiter, Stängel knickten in der Glut. Innerhalb weniger Augenblicke stand ringsum die Heide in Brand.
    Gunhild blickte sich hektisch um. Wohin konnte sie fliehen? Die Flammen fraßen sich von den Rändern des Steinkreises nach innen. In wenigen Augenblicken würden sie bei ihr sein.
    Stein. Stein brennt nicht. Es gab nur einen Ort, wohin das Feuer nicht kommen konnte. Gunhild rappelte sich auf, und mit wenigen Sätzen hatte sie den Altar im Zentrum des Kreises erreicht.
    Wie von selbst fanden ihre Füße in die Vertiefungen, welche auf der Steinplatte im Boden eingelassen worden waren.
    Das ist Wahnsinn, was du da machst, sagte eine Stimme in ihrem Inneren, doch mit einer kühlen, jeder Vernunft widersprechenden Überzeugung wusste sie, dass sie das einzig Richtige tat. Sie war an diesen Ort gekommen, weil es so geschehen musste, denn sie hatte hier etwas zu tun. Hier und jetzt.
    Das Feuer flackerte. Der
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