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Die Kinder von Avalon (German Edition)

Die Kinder von Avalon (German Edition)

Titel: Die Kinder von Avalon (German Edition)
Autoren: Helmut W. Pesch
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Dieb nur dort hinausgelangt sein konnte.
    »Hinterher!«, schrie Siggi, aber Hagen war ihm schon voraus. Mit wenigen Schritten hatte er das Portal erreicht. Er drückte gegen die Tür.
    Der Sturm riss sie ihm aus den Fingern. Licht brandete herein, ein Licht, so grell und klar, dass Hagen wie geblendet war, als er ins Freie taumelte.
    Eine Gestalt ragte vor ihm auf. Etwas bäumte sich empor, etwas Gewaltiges, Weißes. Er sah nur noch den Schatten, dann traf ihn der Schlag mit der Wucht einer Riesenfaust und schleuderte ihn beiseite.
    Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen. Er schmeckte Blut, und einen Augenblick wurde ihm schwarz vor Augen.
    »Geben Sie sofort das Ding wieder her!«, hörte er Siggi rufen.
    Benommen blinzelte er. Siggi stand da und fuchtelte mit dem Schwert. Hagen wandte den Blick, um den unbekannten Gegner in Augenschein zu nehmen.
    Zuerst sah er das Pferd. Ein mächtiges Ross, fahl wie der Tod, schimmernd wie Mondlicht. Schaum troff von seinen Nüstern. Seine Augen wirkten schwarz wie Kohle. Seine Hufe blinkten, als wären sie aus Eisen gemacht, und sie waren scharf wie Messerklingen.
    Doch weitaus schrecklicher als das Ross war der Reiter, der darauf saß. Er hatte die Gestalt eines Mannes, doch es war kein Mensch. Er war über und über mit Blättern bedeckt, die in dem Wind, der aus dem Abgrund heraufwehte, raschelten und rauschten. Seine Arme und Beine waren wie lebende Äste, sein Leib ein mächtiger Busch, sein Haupt erhob sich wie eine Baumkrone, aus der ein Geweih spross gleich dem eines großen Hirschen, und die Augen in dem grünen Gesicht leuchteten wie die Sonne, die durch das Laubwerk eines Baumes bricht. Seine linke Hand hielt mit Fingern, die jungen, saftigen Zweigen glichen, den Kelch, den er aus dem Museum geraubt hatte. Seine Rechte umschloss mit knorrigen, knotigen Astgliedern einen Speer, den er hoch über dem Kopf schwang.
    »Siggi, pass auf!«
    Der Speer flog durch die Luft. Durch einen Reflex fegte Siggi ihn mit der Schwertklinge beiseite. Hagen zuckte zurück. Der Schaft verfehlte ihn nur um Haaresbreite.
    Der Grüne Mann ließ sein Pferd tänzeln, dann wandte er sich ab.
    »Stehen bleiben!« Siggi war außer sich. Er hob das Schwert. Hagen sah nur den Schatten der Klinge; er fragte sich, was sein Freund wohl mit dem alten, verrosteten Ding ausrichten wollte. Aber Siggi schien das nicht zu kümmern. In einem weiten, kraftvoll geführten Hieb ließ er das Schwert gegen den unheimlichen Reiter niedersausen.
    Die Klinge traf die grüne Gestalt und fuhr hindurch.
    Zweige knackten. Blätter wirbelten auf, wie von einem Luftzug verweht. Doch dort, wo eine tiefe Wunde klaffen sollte, schloss sich das Blattwerk wieder, und der Reiter war heil und ganz, als wäre nie etwas geschehen.
    Der Grüne Mann lachte. Es war kein menschliches Lachen, sondern ein Laut, der aus dem Rascheln der Blätter zusammengesetzt war, aus Vogelschreien und dem Zirpen und Summen von Insekten, den Stimmen der kleinen Tiere, die zwischen den Zweigen des Waldes hausen.
    »Das nächste Mal, wenn wir uns begegnen«, raunte die Stimme, die aus den Blättern kam, »habe ich den ersten Schlag.«
    Der Kelch blitzte im Sonnenlicht. Der Reiter riss sein Pferd herum. Siggi wich unwillkürlich zurück. Der Luftzug ließ ihn taumeln; er stolperte und fiel gegen Hagen, der immer noch halb benommen am Boden kauerte. Ein Wirbel von Blättern umwehte sie, als sie in einem Knäuel von Armen und Beinen den Hang hinabrollten, bis ein großer Busch ihren Fall aufhielt.
    »Weg hier!«
    Trotz des Sturzes hatte Siggi den Griff seines Schwertes nicht losgelassen. Er rollte sich über eine Schulter ab und kam wieder auf die Füße.
    Hagen griff nach dem nächstbesten Halt, der sich ihm bot. Seine Finger schlossen sich um einen glatten Stamm; es war der Schaft des Speeres, den der Grüne Mann nach ihnen geworfen hatte. Ein roter Schleier färbte Hagens Blick. Er sah den Schatten des Pferdes; mit einem Knurren, das tief aus seiner Kehle kam, sprang er darauf zu.
    Aber es war nur ein großer Busch, der ungefähr die Gestalt des Tieres hatte. Hagen fetzte die Zweige mit dem Speer beiseite. Von dem seltsamen Reiter und seinem fahlen Ross war nichts mehr zu sehen.
    »Wo ist er hin? Siggi, hast du gesehen, wohin er …«
    Aber Siggi stand nur da und starrte auf das, was er in seiner Hand hielt. Es war nicht das verrostete Stück Alteisen, das er aus dem Betonblock gezogen hatte. Das Schwert in seiner Hand war aus blankem Stahl,
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